Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
Vom Netzwerk:
hinter seinem Zelt galoppierte ein Schwein hervor, hockte sich vor Sara auf die Hinterbeine und quiekte sie zum Steinerweichen an. Unwillkürlich wich sie zurück. Das Schwein war ein unreines Tier, ekelhaft, voller Würmer und Schmutz. Der Teufel war nicht umsonst ins Borstenvieh gefahren! Doch dann ließ Schwärzel das Tier ein paar Kunststücke vorführen, die Sara zum Staunen brachten, und am Schluss stellte er ihr noch Braunäugel, den zahmen Hirsch vor, der sein prachtvolles Geweih vor ihr neigte und sich dann hinter den Ohren kraulen ließ. Außerdem, so meinte Schwärzel dann, habe er noch ein Weib namens Ada, aber die sei leider nicht so gut abgerichtet.
    Dann war da noch Schnuck, der Joglar, Feuerschlucker und Seiltänzer. Er war die Unruhe selbst, lief hierhin und dorthin, wippte selbst im Sitzen mit den Knien. Sein ganzer Körper war unglaublich beweglich, die langen Arme flogen nur so, wenn er zum Üben Gegenstände durch die Luft warf und mit großem Geschick wieder auffing. Schüchtern hieß er Sara willkommen, indem er ihr einen kleinen unreifen Apfel schenkte, mit dem er gerade jongliert hatte.
    Einen ebenso zaghaften Gruß entbot ihr das einsamste Mitglied der Fahrenden, ein Mann, der seinen Wagen immer ein Stück von den anderen entfernt hielt und auch sonst meist abseits blieb. Finus führte sie auf seinen von Pirlo gebastelten Krücken zu ihm und stellte ihn mit den Worten vor: »Das ist Zephael, der Elefantenmann!« Sara konnte ihr Erschrecken kaum verbergen, sie schnappte unwillkürlich bei dem abstoßenden Anblick nach Luft. Zephael war ein missgestaltetes Wesen, wie sie es noch nie gesehen hatte. Sein linker Arm und beide Beine waren unglaublich fleischige, riesige Wülste von monströsen Ausmaßen, die Haut schwärzlich verfärbt, hart, dick und ledrig. Seine Gliedmaßen sahen nicht mehr natürlich aus, sondern wie aufgequollene Geschwülste, unförmige Wucherungen, die am Rumpf ansetzten und eigentlich nicht zu einem menschlichen Körper gehören sollten. Der Elefantenmann sah Saras Entsetzen und lächelte traurig. »Keine Angst, ich tue nichts«, sagte er mit erstaunlich sanfter, hoher Stimme. »Ich sehe nur aus wie ein Ungeheuer, bin aber keins. Der liebe Gott hat mich halt einfach vergessen.«
    Sara schämte sich. »Es tut mir leid«, sagte sie, »ich wollte dich nicht verletzen, Zephael.«
    »Schon gut.« Zephael winkte ab. »Das geht allen so. Ich sehe nun einmal aus wie eins von diesen merkwürdigen, langnasigen Riesentieren, die man sonst nur von Bildern kennt. Keiner kann glauben, dass ich früher einmal Arme und Beine hatte wie jeder andere.«
    »Ist es eine Krankheit?«, fragte Sara. Die Ärztin in ihr war erwacht.
    Er hob die Schultern. »Das weiß keiner. Ein Seemann hat mir einmal erzählt, dass im Lande Africa, weit weg von hier, viele solcher Menschen leben. Und Hiltprand meint, ich hätte nur zu viel Blut im Körper. Dauernd ist er mit dem Schnäpper hinter mir her und will mich zur Ader lassen, aber ich hab das früher schon oft versucht. So viel ich auch Blut verliere, es hilft nichts.«
    »Wer ist Hiltprand?«
    »Oh, er wohnt im Zelt dort drüben, er ist unser Quacksalber, Zahnbrecher und Heilkundiger.«
    Das machte Sara neugierig. So lernte sie ein weiteres Mitglied von Pirlos Truppe kennen, einen imposanten Fettwanst mit grauem Wallebart, aufgeworfenen Lippen und listigen Schweinsäuglein. Er sah sie so grimmig an, dass sie gar nicht wagte, ihm zu erzählen, dass sie einer ähnlichen Profession nachging wie er. »Ich heile die Menschen«, brüstete er sich mit wichtiger Miene. »Auf der ganzen Welt bin ich schon herumgekommen und für meine ärztliche Kunstfertigkeit berühmt. Habt Ihr ein Leiden, he?«
    Sara beeilte sich, zu verneinen. »Ich will nur ein Stück mit euch reisen«, erwiderte sie und stellte fest, dass dieser Mann für einen Arzt erstaunlich schmutzig war.
    »Ah, Ihr seid die Frau, die unseren diebischen Kleinen gerettet hat!«, stellte Hiltprand fest. »Ich habe im Übrigen seinen Bruch behandelt, eine wunderbare Kuhmistpackung darauf getan und neu geschient. Er wird wieder herumspringen können wie ein Rehlein, dafür garantiere ich!«
    Kuhmist, dachte Sara. Du meine Güte!
    Mit diesem Mann wollte sie so wenig wie möglich zu tun haben, beschloss sie.
    Viel lieber waren ihr dagegen Jacko, Imre und Meli, drei Geschwister, die zusammen mit ihrer Mutter Esma in einem großen, gemütlichen Wagen reisten. Es waren Zigeuner, Leute aus KleinÄgypten, wie man

Weitere Kostenlose Bücher