Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
Hand zurückzuckte. Es war Saras kleiner Zinnpokal.
»Was ist? Willst du nicht?« Ezzo trat einen Schritt näher und stellte seinen Krug in eine Mauernische. Dann packte er Hiltprand am Kragen. »Was hast du da hineingetan?«, zischte er.
Hiltprand wehrte sich, kam aber nicht aus Ezzos Griff los. »Nichts! Ich weiß gar nicht, was du meinst! Lasst mich doch in Ruhe! Was wollt ihr überhaupt von mir, he?«
Jetzt griff Ciaran dem Quacksalber von hinten in den Schopf. »Na, wenn du nichts hineingetan hast, dann kannst du ja trinken!« Er drückte den Becher an Hiltprands Lippen, der sich wehrte als hielte ihn der Teufel persönlich in seinen Klauen. Der Becher flog in hohem Bogen davon. Dann zwang Ezzo Hiltprand in die Knie, den Arm schmerzhaft auf den Rücken gedreht. Hiltprand heulte auf vor Schmerz.
»Du hast das schon lange vorgehabt, stimmt’s?« In Ezzos Stimme klang kalte Wut. »Du warst das auch in Andernach, neulich Nacht. Ich hab dich am Gang erkannt. Hast Sanna ins Mühlrad stoßen wollen … «
»Das Luder«, keuchte Hiltprand und wand sich vergeblich in Ezzos Griff. »Ich war zuerst da!«
»Was hast du in den Becher getan?«
Hiltprand schrie auf; sein Arm war kurz davor, zu brechen. »Eisenhut«, wimmerte er. »Nur ganz wenig. Nur, damit sie nicht mehr weiter mitkommen kann.«
Ezzo ließ ihn los und wischte sich die Hände an seinem Umhang ab, als seien sie schmutzig. »Du hast bis morgen früh Zeit«, sagte er voller Verachtung. »Dann bist du nicht mehr da.«
»Ihr könnt mir gar nichts beweisen!« Hiltprand rollte sich auf den Rücken und rieb sich trotzig die Schulter.
»So?« Ezzo bückte sich, und noch bevor Hiltprand sich wehren konnte, zog er ihm mit schnellem Griff den linken Stiefel vom Fuß. Er holte das noch halb volle Fläschchen hervor und hielt es dem Quacksalber vor die Nase. »Dein Wagen bleibt hier«, sagte er, »er gehört der Truppe. Solltest du nach Sonnenaufgang noch in der Burg sein, übergeben wir dich dem Stadtknecht.«
»In meinem Land steht auf Giftmischerei der Tod«, ergänzte Ciaran mit schneidender Stimme, »und soweit ich weiß, ist das hier auch so.«
Hiltprand rappelte sich auf und spuckte vor den beiden aus. Dann schnappte er sich seinen Stiefel, drehte sich um und ging zu seinem Wagen.
»Lass uns Stillschweigen über die Sache bewahren«, meinte Ezzo hinterher zu Ciaran. »Sanna braucht sich nicht im Nachhinein noch zu ängstigen.«
Ciaran nickte. »Ist vielleicht besser so.«
Sie gingen langsam zum Marstall zurück. »Dir liegt was an ihr, hm?«, fragte Ciaran. »Sonst würdest du nicht so auf sie aufpassen.«
Ezzo zuckte die Schulten und log ein bisschen: »Aber wo. Das würde ich doch für jeden tun. Schließlich ist Ritter Ezzelin der Beschützer der Jungfrauen, Witwen und Waisen.« Er grinste.
»Na dann … « Ciaran schlug Ezzo freundschaftlich auf die Schulter. Mehr hatte er gar nicht wissen wollen.
Am nächsten Morgen war Hiltprand fort.
Sara
Ich war unendlich erleichtert, als Hiltprand plötzlich verschwunden war, und ich glaube, die anderen trauerten ihm auch nicht nach. Keiner wusste, warum er sich entschlossen hatte, zu gehen. Zuerst warteten wir ein, zwei Tage, ob er nicht vielleicht wiederkommen würde. Schließlich hatte er alles zurückgelassen – seinen Wagen, die Arzneien, die meisten Instrumente. Aber er blieb fort. Am dritten Tag kam Pirlo zu mir. »Du kannst Hiltprands Wagen haben, wenn du willst«, sagte er.
Die Aussicht, in den Wagen des Quacksalbers umzuziehen, machte mich nicht gerade glücklich, aber angesichts des nahenden Winters war mein Zelt auch nicht die beste Unterkunft. Also räumte ich alles, was ich nicht brauchen konnte, aus dem Wagen und machte erst einmal sauber, bevor ich meine Sachen hineinschaffte. Zephael, der stille Elefantenmensch, und die kleine Meli halfen mir, so gut sie konnten. Dann ging ich ans Sortieren von Hiltprands Arzneien. Was warf ich nicht alles weg: zu Pillen gedrehte Kellerasseln, Mehl vom Fersenbein eines Gehenkten, getrocknete, unflügge Zaunkönige, Regenwurmpulver. Getrocknetes Moos, das auf einem menschlichen Schädel gewachsen war, zerriebene Wolfshörner, Marmorsaft, Hühnermilch, einen Tiegel Menschenfett und natürlich den unvermeidlichen Schwalbenkot. Der Quacksalber hatte alle Fläschchen, Beutelchen und Tütchen genauestens beschriftet – ich konnte zwar die lateinische Schrift nicht schreiben, aber ganz gut lesen, und so hob ich nur das auf, was ich zum Heilen verwenden
Weitere Kostenlose Bücher