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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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konnte, meistens Kräuter. Den ganzen Tag war ich so beschäftigt. Schließlich, es war schon spät am Nachmittag, fand ich noch eine ganze Kiste voller schmutziger Leintücher und Verbandsstreifen, und weil ich selber kaum noch einen Vorrat hatte, beschloss ich, die Sachen zu waschen. Ich stopfte alles in zwei große Körbe und schleppte sie zu einer Stelle am Ufer, wo auch die armen Weiber der Stadt ihre Wäsche wuschen.
    Es war ein kalter Tag, über Nacht hatte es gefroren, und das Wasser war eisig. Außer mir war sonst niemand da, und so rubbelte und schrubbte ich und hing dabei frierend meinen Gedanken nach. Wieder einmal dachte ich an Ezzo, er ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Seit der Nacht, in der ich seine Wunde genäht hatte, war unser Verhältnis nicht mehr so unbefangen wie früher, und das machte mir zu schaffen. Ich glaube, er vermied es, mit mir allein zu sein. Nicht einmal, als ich ihm die Fäden zog, kam er in mein Zelt, sondern er ließ es mich draußen tun, wo alle zusehen konnten. Oh, er behandelte mich zuvorkommend und höflich, so wie immer, aber unter der Oberfläche seiner Freundlichkeit spürte ich etwas, was ich damals nicht benennen konnte. Und auch ich konnte nicht wie sonst ganz selbstverständlich mit ihm fröhlich sein. Unsere Freundschaft hatte einen Riss bekommen. Ich hatte beinahe den Fehler gemacht, mich in ihn zu verlieben, in dieser Nacht in Sankt Goar – Gott sei Dank hatte ich noch rechtzeitig den Ring entdeckt! Ich stellte mir vor, wie die Frau wohl aussehen mochte, die Ezzo liebte. Sicherlich eine Hofjungfer, anmutig und edel, mit kostbaren Kleidern und Gold im blonden Haar. Wie hatte ich nur denken können, dass ich ihm gefiel? Ich, eine jüdische Wanderärztin, die keine Ahnung von feinsinnigem Leben hatte, die nicht wusste, wie man tanzte, sich vornehm bewegte, in gewählten Sätzen redete? Die sich nicht das Haar kunstvoll aufsteckte, sondern ihre wilden Locken einfach mit einem Band oder einer schlichten Haube bändigte. Die kein Lippenrot benutzte, sich nicht täglich mit wohlriechenden Ölen parfümierte, nicht die Brauen zu Schwalbenschwingen zupfte. Ich rubbelte und rubbelte, als ob ich meinen Zorn auf mich selbst an der Wäsche auslassen könnte. Dabei merkte ich gar nicht, dass ich irgendwann mit den Füßen im seichten Wasser stand. Erst als meine Zähne anfingen, zu klappern und alles Tuch sauber war, ging ich zurück in die Burg. Ich hängte noch schnell die Leinenstreifen in einer Ecke des Marstalls zum Trocknen auf, dann zog ich die nassen Schuhe aus und lieh mir ein Paar von Janka, die mich schmunzelnd ansah, tausend winzige Fältchen um die Augen. »Wo hast du denn deine Gedanken, Kleines?«, fragte sie, und ich hatte das Gefühl, sie wusste die Antwort ohnehin. Janka durchschaute Menschen, als seien sie aus Glas. »Dass du mir nur nicht krank wirst«, sagte sie und drohte mir mit dem Finger.
    Beim Abendessen gab sie mir eine besonders große Schüssel mit Brotsuppe und einen Schöpfer heißen Met. Ich bekam einen irdenen Humpen mit abgesprungenem Rand als Trinkgefäß, weil mein Zinnbecher verschwunden war – erst viel später sollte ich erfahren, warum. Hätte ich nur damals schon gewusst, was geschehen war! Vielleicht wäre vieles anders gekommen! Aber nein, wenn Janka diese Gedanken hören würde! Ts, ts, ts, würde sie sagen, alle Dinge im Leben haben ihren Sinn. Das Schicksal lässt sich nicht wie ein Strumpf stricken, wo man ein paar Maschen auftrennen und einen neuen Wollfaden nehmen kann. Es ist, wie es ist, und so ist es gut.

    Nach dem Abendessen war mir immer noch kalt. Draußen hatte es zu schneien begonnen, der erste Schnee des Winters. Ich bibberte und fror, wickelte mich in eine Decke und setzte mich ganz nah ans Kochfeuer. Mir graute schon davor, zum Schlafen in den kalten Wagen zu gehen. Solange meine Füße sich wie Eis anfühlten, würde ich sowieso kein Auge zutun.
    Da tippte mir Ciaran von hinten auf die Schulter. »Komm«, flüsterte er, »ich zeig dir was.«
    Er nahm mich bei der Hand, und ich folgte ihm neugierig durch die lautlos tanzenden Schneeflocken, über den dunklen Hof zu einem kleinen, rundbogigen Türchen. Er öffnete es leise und zog mich mit hinein. »Psst«, machte er, »ganz leise.«
    Auf Zehenspitzen tappte ich ihm nach durch die Finsternis eines schmalen Ganges, stolperte Treppen hoch und durch herrschaftliche Räume, wo ich mich im Dunkeln an irgendwelchen Möbeln stieß, bis er schließlich vor einer Tür

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