Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
Vom Netzwerk:
tailliertes Gewand, das ihre weiße Haut wunderbar zur Geltung brachte. Seit jenem leidenschaftlichen Kuss im letzten Herbst hatte er sich von Barbara von Cilli ferngehalten. Monatelang war er als ritterlicher Gefolgsmann mit dem König durchs Land gezogen, dann, zurück in Budapest, hatte er ihre Nähe gemieden, um die unmögliche Liebe nicht wieder aufflammen zu lassen. Inzwischen glaubte er, darüber hinweg zu sein, aber jetzt, als er sie sah, wusste er, dass dem nicht so war. Er hatte nur Augen für sie.
    Unvorsichtig wagte er sich ein paar Schritte aus den Büschen, um besser sehen zu können, als die Hofdamen ihn auch schon entdeckten, riefen und winkten. Er lachte und wollte sich zurückziehen, doch drei von den Mädchen waren schon herübergelaufen und zogen ihn an Kragen und Ärmeln in die Mitte des Reigens, so sehr er sich auch scherzhaft wehrte. Eine schlang ihm das Band um die Augen, eine drehte ihn ein paar Mal im Kreis, und dann war er auch schon der Mittelpunkt des Spiels. Er fügte sich ins Unvermeidliche, suchte mit rudernen Armen, lief hierhin und dahin, immer einem anderen Lachen nach. Manche Damen waren sogar so frech, ihn anzufassen, doch wenn er dann herumfuhr und nach ihnen greifen wollte, waren sie weg. Irgendwann gelang es ihm, eine von ihnen zu berühren. Sie schrie leise auf, versuchte, sich ihm zu entwinden, doch da hatte er sie schon um die Taille gepackt. »Hab ich dich!«, rief er und riss sich das Tuch vom Kopf. Und dann sah er in ein Paar hellblauer Augen, das er nur allzu gut kannte. Sein Herz setzte einen Schlag aus.
    Die anderen kamen herangelaufen und klatschten jubelnd Beifall, während Ezzo einfach nur dastand und sich nicht rührte. Barbara sah ihn an, ihr Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. »Ihr dürft mich jetzt loslassen, Herr Ezzo!«, sagte sie.
    »Verzeiht.« Er lockerte sofort seinen Griff. Die Spielregeln verlangten, dass er ihr nun das zusammengefaltete Tuch um die Augen band. Während er sich zu ihr beugte, um einen Knoten zu schlingen, hörte er ihr Flüstern: »Heut nacht, in meinem Zimmer beim zwölften Glockenschlag.« Dann war sie weg.
    Wie betäubt lief Ezzo zurück zum Kloster. Sie liebte ihn noch!

    Der Abend wollte einfach nicht vorübergehen, und Ezzo hing seinen Gedanken nach. Er wusste, der König war längst zu Bett gegangen; ihn schmerzte eine Verletzung, die er sich kürzlich bei einem Sturz vom Pferd zugezogen hatte. Ezzo hatte Sigismund in den letzten Monaten kennengelernt. Der König war jetzt Anfang vierzig, mehr als doppelt so alt wie seine junge Frau. Er hatte sie in zweiter Ehe geheiratet, wohl auch wegen ihrer Schönheit, aber in erster Linie, um sich den böhmischen Adel gewogen zu machen. Ezzo wusste, dass die beiden ein Kind miteinander hatten, eine Tochter, die abgeschirmt vom Hof mit Zofen und Kindermädchen aufwuchs. Er hatte sie noch nie gesehen. Und Ezzo wusste auch, dass Sigismund kein Kostverächter war, was die Frauen betraf. In jeder Stadt, auf jeder Burg, die ihn mit seinem Gefolge aufnahm, hatte er ein Mädchen. Er ließ sich nur die Schönsten bringen, und er machte überhaupt kein Geheimnis daraus. Schließlich war er der König und konnte tun und lassen, was er wollte. Durfte er da von seiner Frau überhaupt Treue erwarten? War es nicht eine lässliche Sünde, einen solchen Mann zum Hahnrei zu machen?
    Als es spät genug war, stand Ezzo auf und verließ das Refektorium unauffällig. Er hatte herausgefunden, dass die Damen im Ostflügel des Klosters untergebracht waren; die Königin schlief in den eigens dafür hergerichteten Gemächern des Abtes, die zur Donau hinausgingen. Leise öffnete er die Tür und ging hinein. Kerzen brannten, und es roch nach frischen Kräutern – man hatte Melisse und Lavendel unter die Binsen gemischt, die den Steinboden bedeckten.
    Sie saß in der Fensternische, eine Laute in der Hand, und sah in die Dunkelheit hinaus. Dort draußen, gleich unterhalb der Mauer, strömte die Donau, nahm langsam und gelassen ihren Weg zum Meer. Unbemerkt trat Ezzo näher, als die Königin mit feiner, leiser Stimme zu singen begann.

  »Es stuont ein frouw alleine und warte über heide und warte ir liebes. 
  So gesach si valken fliegen So wol dir valke daz du bist! Du fliugest, swar dir liep ist. Du erkiusest dir in dem walde einen boum, der dir gevalle. Also han ouch ich getan: Ich erkos mir selbe einen man, den erwelten mine ougen … « 
    Mit drei Schritten lag er vor ihr auf den Knien.
    »Du bist

Weitere Kostenlose Bücher