Die Silberne Festung
Armstrong-Raumstation jetzt fast genau dem Äquator folgend, rund 1000 Kilometer südlich an der Kampfgruppe Nimitz vorüber. Bei 27.350 Stundenkilometer Geschwindigkeit konnten sie die Flotte auf jedem 90-Minuten-Orbit theoretisch 20 Minuten lang überwachen – fast ein Viertel der Gesamtzeit. Vorausgesetzt, es gelang ihnen, das Weltraumradarsystem wieder in Gang zu bringen. Sie hatten keinen Radartechniker mitgebracht, aber solange der Prozessor des Hauptsystems arbeitete, konnte er den Benutzer auf Systemdefekte hinweisen – das System reparierte sich sozusagen selbst.
Nachdem sie fast 20 Stunden lang die Anweisungen des SBR-Computers ausgeführt hatten, ordnete Saint-Michael eine Ruhepause an. Jetzt war er allein in der Raumstation, kontrollierte ihre Systeme und hielt Wache für den Fall eines erneuten Angriffs der Russen – obwohl er keine Möglichkeit hatte, ihn vorher zu entdecken, und nichts gegen ihn hätte unternehmen können, selbst wenn er gewußt hätte, daß sie kamen. Silver Tower war nicht kampfbereit. Noch nicht.
Saint-Michael sah zur SBR-Kontrolle hinüber. Soviel sie bisher hatten feststellen können, war der Hauptradarschirm unbeschädigt – aber aus irgendeinem Grund zeigte er kein Bild. Der General schwebte an die Konsole und warf einen Blick auf die beiden Bildschirme, von denen einer aus einem unbeschädigt gebliebenen Fernseher aus dem Freizeitraum im Skylab-Modul stammte. Hätte der Radarschirm richtig funktioniert, hätte er eine politische Karte des Gebiets unter ihnen mit eingeblendeter Darstellung des SBR-Erfassungsbereichs gezeigt. Über den zweiten Bildschirm flitzten lediglich komplizierte Zahlengruppen, mit denen Azimut, Deklination, Koordinaten, Eigengeschwindigkeit und Korrekturbewegungen der Raumstation im Verhältnis zur Erde verschlüsselt waren. Es hätten ebensogut ägyptische Hieroglyphen sein können.
Er kehrte auf seinen Sitz zurück, schnallte sich an und erinnerte sich daran, wie er früher automatisch nach der Hör-Sprech-Garnitur gegriffen und sie aufgesetzt hätte. Jetzt nicht mehr. Das wäre zwecklos gewesen, denn das Bahnverfolgungs- und Datenübermittlungssystem der Raumstation war völlig zertrümmert. Eine Funkverbindung zur Erde war nur noch über UKW-Sender möglich, damit konnte man vielleicht mit einer Station sprechen, die man durchs Fenster sah. Aber auch nur unter günstigen Umständen.
Er wünschte sich, es wäre ebenso schwierig, die Enterprise zu sehen oder an sie zu denken…
Der Gedanke an die beschädigte Raumfähre und ihre im Andockmodul schwebende tote Besatzung weckte plötzlich Depressionen, die in Zorn und Frustration umschlugen. Nichts, was er oder andere unternahmen, konnte diesen armen Kerlen noch helfen. Und indem er dieses Unternehmen zur Reaktivierung der Station durchgesetzt hatte, hatte er weitere Besatzungsmitglieder – darunter auch Ann – in dieselbe Gefahr gebracht.
Nein, er mußte daran denken, daß sie nicht hier oben waren, um die Toten zu rächen, sondern um Leben zu retten. Und zwar das Leben amerikanischer Seeleute im Arabischen Meer…
Damit hatte er argumentiert, als er den Vereinigten Stabschefs und dem Präsidenten seinen Plan vorgetragen hatte. Anfangs hatte er einen schweren Stand gehabt… Stuart hatte überzeugend behauptet, der Kommandant der Armstrong-Raumstation sei angeschlagen und müsse zu seinem eigenen Besten – und dem Amerikas – pensioniert werden, denn was er fordere, werde die Russen nur unnötig provozieren. Saint-Michael hatte seinerseits geschildert, was zu erwarten war, wenn sie die Station nicht reaktivierten, und damit zuletzt sogar Verteidigungsminister Linus Edwards überzeugt. Sein Plan war jedoch so spät gebilligt worden, daß ihm kaum noch Zeit geblieben war, den Start der America zu unterbrechen und einen Teil ihrer Fracht umladen zu lassen…
Als Saint-Michael jetzt allein im Kommandomodul saß, war er nicht mehr so hundertprozentig von der Richtigkeit seines Plans überzeugt. Und das brachte ihn auf einen anderen Gedanken: Sein Plan mußte Erfolg haben, sonst konnte es leicht passieren, daß die Leute daheim ein amerikanisches Sibirien für ihn erfanden, wenn er zurückkam.
USS Nimitz im Arabischen Meer
»Die modernsten Radarschiffe der Welt«, knurrte Admiral Clancy, »und trotzdem komme ich mir hier draußen völlig schutzlos vor.«
Der Befehlshaber der Trägerkampfgruppe Nimitz stand mit Kapitän Edgewater, dem Kommandanten der Nimitz, im Combat Information Center des
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