Die Silberne Festung
Wolkenbank zurück, die von einer frischen Brise auf See zurückgetrieben wird.
Aufgrund von Steuerbefehlen wechselten die beiden Booster sich ab, bis das wilde Nicken und Rollen der Station nach einigen Minuten fast zum Stillstand gekommen war. Nachdem die Rotation aufgehört hatte, arbeiteten die Booster länger, damit die Raumstation Höhe gewann. Einige Minuten waren beide im Dauerbetrieb. Die Erdatmosphäre blieb jetzt langsam, aber sicher unter ihnen zurück. Ann konnte sich von ihrer Halterung am Kiel lösen und sich wieder frei bewegen.
Saint-Michael meldete sich als erster. »Jon, wie hören Sie mich?«
»Ich höre Sie fünf, General«, antwortete Hampton. »Ken hat inzwischen das Positionssignal in Gang gebracht. Die America fliegt mit Autopilot.
Ich bringe sie zur Ladebucht zurück, damit wir mit der Treibstoffübergabe beginnen können.«
»General, hier Horvath. Die Notstromversorgung im Kommandomodul funktioniert wieder, aber das Modul ist drucklos. Ich bezweifle, daß wir’s reparieren können. Es hat zwei riesige Löcher…«
»Wie steht’s mit dem SBR und der Klimatisierung?«
»Bei der Klimatisierung sehe ich keine Schwierigkeiten, Sir. Ob das SBR funktioniert, kann ich nicht beurteilen, aber alle Konsolen werden mit Notstrom versorgt.« Das ist unerwartet viel, dachte Ann. Silver Tower lebt! Wenn uns die Russen jetzt noch genügend Zeit lassen…
Kosmodrom Tjuratam, UdSSR
Marschall Goworow kam ins Kontrollzentrum des Raumverteidigungskommandos gestürmt, wo ihn Oberst Gulajew erwartete. Er hastete mit seinem Untergebenen an den Bildschirm des Bahnverfolgungscomputers, um die darauf erscheinenden Informationen selbst zu begutachten.
»Die Veränderung ist uns erst aufgefallen, als die Raumstation schon zweihundertfünfzehn Kilometer Höhe erreicht hatte«, berichtete Gulajew.
»Wir haben sie anfangs für einen Irrtum, eine Anomalie gehalten…«
»Unmöglich!« sagte Goworow, dem dabei auffiel, daß er wie all die Kremlbürokraten sprach, gegen die er jahrelang angekämpft hatte. Er war einer Selbsttäuschung erlegen. Nun, dagegen ließ sich vielleicht noch etwas tun… Aber hätte die Bahnänderung der Raumstation nicht mehr Zeit erfordern müssen?
»Genosse General, ich alarmiere sofort…«
»Sie alarmieren keinen, verstanden? Erst will ich diese Bahnänderung bestätigt haben!«
Gulajew verschwand in der Nachrichtenzentrale, um mit Sari Schagan zu telefonieren und eine Bestätigung einzuholen. Das dauerte nicht lange. Als der jüngere Offizier schon eine Minute später zurückkam, sah er den Marschall allein am Computer sitzen, als wolle niemand mehr – übrigens auch Gulajew selbst – etwas mit ihm zu tun haben.
»Genosse General, vom Raumüberwachungszentrum Sari Schagan ist soeben ein Fernschreiben eingegangen. Darin wird die Bahnänderung bestätigt. Die Armstrong-Raumstation scheint sich mit eigener Kraft in eine Standardkreisbahn mit weniger als fünf Grad Neigung zum Äquator zu bewegen Glauben Sie, daß die Amerikaner es schaffen, den Persischen Golf und das Arabische Meer wieder zu überwachen?«
Goworow schien zu überlegen, ob er den Unglücksboten erwürgen sollte; dann schüttelte er jedoch, um Beherrschung bemüht, den Kopf. »Die unter Druck stehenden Module der Station sind unbewohnbar. Unsere Sichel-Raketen haben ihre Radarantennen und die Solarkollektoren durchschlagen. Selbst eine ausgebildete Wartungsmannschaft würde Monate brauchen, um die Station wieder einsatzfähig zu machen.« Oder etwa nicht…? Goworow klatschte in die Hände, als könne er seine ungewohnten Depressionen auf diese Weise verscheuchen. »Lassen, Sie im Lageraum drei sofort eine abhörsichere Bildtelefonverbindung zwischen Chromejew, Rhomerdunow und mir herstellen. Und ich brauche General Kulowski vom Nachrichtendienst. Lassen Sie ihn herholen.«
Gulajew hastete davon, um die nötigen Befehle zu erteilen. Er war froh, daß Goworow wieder ganz der alte zu sein schien: selbstsicher, Herr der Lage, den Amerikanern wenigstens einen Schritt voraus…
Aber weshalb hatte er selbst das Gefühl, sie seien einen Schritt hinter ihnen zurück?
***
Der Farbmonitor des Bildtelefons war auf einem Podest an der Stirnseite des Lageraums 3 gleich neben Goworows Dienstzimmer aufgebaut. Goworow und General Kulowski, der Chef des Nachrichtendienstes des Raumverteidigungskommandos, standen vor dem Monitor und warteten darauf, daß die Verbindung zu ihren beiden Vorgesetzten hergestellt wurde.
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