Die Silberne Festung
vom Himmel zuckten. In Zehnsekundenabständen schoß ein Feuerstrahl durch die Wolkenschleier aufs Meer hinab und löste fast jedes Mal eine Detonation aus – offenbar jedoch nicht auf amerikanischen Schiffen. Dieses Phänomen erinnerte ihn an einen Meteoritenschauer – den verrücktesten Meteoritenschauer, den man sich vorstellen konnte…
Als der Bomberverband sich dem am weitesten vorgeschobenen amerikanischen Geleitschiff näherte, begannen die Blitzstrahlen unheimliche Feuersäulen zu bilden, die den Himmel vor den anfliegenden SU-24 zu blockieren schienen. Gleichzeitig wurden die gelegentlichen Warnsignale vor trägergestützten amerikanischen Abfangjägern leiser und seltener. War es ihnen gelungen, die F-14 Tomcats zu unterfliegen?
Plötzlich füllte sich das Cockpit des Verbandsführers mit grellweißem Licht. Er hatte zu kämpfen, um nicht die Kontrolle über seinen Bomber zu verlieren, und er beobachtete ungläubig, wie der Radarhöhenmesser, der den Abstand zwischen dem Rumpf der Su-24 und den todbringenden Wellen maß, fast auf null Meter zurückging.
Der Verband löste sich abrupt auf. Die Maschinen waren auf allen Seiten von gleißend hellen Blitzen umgeben, und einer der zwölf Schwenkflügelbomber explodierte auf unerklärliche Weise. Auf diesen Schock reagierten die anderen Piloten mit instinktiven Ausweichbewegungen, so daß der Verband kaum 100 Kilometer von dem Geleitschiff und keine 200 Kilometer von der Nimitz entfernt auseinanderstob. Die zuvor geschlossene Angriffsformation verwandelte sich schlagartig in einen Schwarm unkoordinierter Einzelangreifer. Einige Su-24 stiegen sogar und flogen in Richtung Archangelsk zurück, so daß ihre Kameraden sie für gegnerische Flugzeuge halten konnten, was die allgemeine Verwirrung erhöhte.
***
Die Ticonderoga schoß einige Fla-Raketen auf die Bomber ab, aber die Angreifer zerstreuten sich, bevor sie ganz in den Wirkungsbereich des Aegis-Lenkwaffenkreuzers kamen. Die Besatzung der Ticonderoga konnte nur staunend beobachten, wie der rätselhafte Lichtvorhang nach Osten in die Nacht weiterzog.
Als keine Blitze mehr herabzuckten und der letzte Donner verhallt war, wirkte die Luft kühler, sauberer, stiller. Sogar der Rauch von Schiffsbränden und detonierten Lenkwaffen schien sich erstaunlich rasch zu verziehen. Einige Geleitschiffe der Nimitz ließen triumphierend ihre Sirenen heulen – vermutlich ohne recht zu wissen, weshalb. Auch der Admiral hätte am liebsten einen Freudentanz aufgeführt.
»Lassen Sie die Tanker zur Versorgung der Jäger starten, die wir den Marschflugkörpern entgegengeschickt haben«, befahl Clancy jetzt Air Ops. Er sprach langsam, als fürchte er sich davor, die fast mystische Stille zu zerstören, die über dem Schiff und der Brücke zu liegen schien. »Sie müssen in der Luft bleiben, bis wir an Deck aufgeräumt haben. Und sorgen Sie dafür, daß die Gruppe Kilo so bald wie möglich startet, um die östlichen Patrouillen abzulösen.« Er wandte sich an Edgewater. »Setzen Sie in einer halben Stunde eine Stabsbesprechung an. Ich möchte, daß bis dahin genaue Meldungen über Schäden und Verluste vorliegen.«
Clancy legte dem Kapitän eine Hand auf die Schulter und packte kräftig zu. »Und besorgen Sie mir ein verdammtes Funkgerät. Ich möchte mit der verdammten Raumstation sprechen, die über uns gewacht hat.«
Im Kreml, Moskau
In dem hermetisch abgeriegelten Raum, in dem die militärische Führungsspitze der Sowjetunion zusammengetreten war, herrschte tiefes Schweigen. Der Generalsekretär, der seinen Platz wie immer an der Spitze des dreieckigen Tischs hatte, starrte ausdruckslos vor sich hin.
»Angreifen!« sagte er. »Zerstört die Nimitz. Mit nuklear bestückten Marschflugkörpern ASM-15 von Taschkent aus oder mit Lenkwaffen SS-N-24 von Jagd-U-Booten aus. Vernichtet die Nimitz !«
Danach begann das Flüstern und Murmeln:
»Der amerikanische Laser könnte alles abfangen…«
»Was passiert, wenn der Laser auf die Archangelsk gerichtet wird…?«
»Die Armstrong-Raumstation kann den Einsatz amerikanischer B-52 leiten und Marschflugkörper steuern…«
»Genosse Generalsekretär, wir brauchen Zeit, um diese… diese neue Entwicklung zu bewerten«, sagte Csilikow schließlich. Seine energische Stimme übertönte die nur halblaut vorgebrachten skeptischen, zweifelnden Kommentare der anderen. »Im Augenblick besitzen wir weder Raketen, die sich als Satellitenkiller einsetzen ließen, noch Raumflugzeuge. Deshalb
Weitere Kostenlose Bücher