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Die silberne Göttin

Die silberne Göttin

Titel: Die silberne Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Rowell
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verschwinden. Berührten ihre Füße überhaupt den Boden? Sie hatte ein weiteres Kleid seiner Großmutter ausgesucht, diesmal war es von einem kräftigen Himmelblau. Ein Schal aus silberner Spitze lag um ihre Schultern, und unter ihrem Rocksaum lugten silberne Schuhe hervor. Um den Hals trug sie eine feine silberne Kette, von der Mondsteine herabhingen, was den überirdischen Eindruck noch verstärkte.
    Gegen besseres Wissen und obwohl er wusste, dass sie ihm ausweichen würde, streckte er die Hand aus, um ihr über die letzte Stufe zu helfen. Sie erlaubte ihm, ihr zu helfen, dann entzog sie ihm sanft ihre Hand.
    "Guten Abend, Mylord."
    "Ihr Diener, Miss Kethley." Rob konnte den Blick nicht von ihr lassen, während er sich verbeugte. "Sie sehen atemberaubend aus, Miss Kethley. Haben Sie sich völlig aufwärmen können?"
    "Fast völlig. Ich hoffe, Sie nehmen mir nicht übel, dass ich die Garderobe Ihrer Großmutter so freimütig benutze. Ihre Sachen sind so wunderschön. Ich fand diese Halskette in einem Kästchen auf dem Toilettentisch."
    Sie blickte lächelnd zu ihm auf. "Meine Maskerade macht mir richtig Spaß."
    Rob musste tief durchatmen. Mein Gott, sie war entzückend. "Natürlich nicht. Was immer da ist, steht Ihnen zur Verfügung. Kommen Sie bitte für einen Moment in die Bibliothek. Ich habe Thursby beauftragt, Ihre Malsachen dorthin zu bringen."
    Er hielt ihr die Tür auf, und sie glitt an ihm vorbei, um mit zur Seite geneigtem Kopf und kritischem Gesichtsausdruck vor der Staffelei stehen zu bleiben. Schließlich seufzte sie. "Es gelingt einem nie, den Zauber der Natur so wiederzugeben, wie er in Wirklichkeit ist. Natürlich ist es noch nicht ganz fertig."
    Rob schüttelte den Kopf und lächelte leicht spöttisch. "Ich vermute, das ist das Schicksal talentierter Künstler. Sie sind niemals fertig, nicht wahr? Ich finde Ihr Bild ganz ausgezeichnet."
    "Ist das wahr?" Sie strahlte.
    "Aber ja. Diese feinen Details … wie die Schneelast hier auf dem verkrüppelten Baum, oder diese zarten Farben der Eiskaskaden, die sich gegen die dunklen Wolken abheben. Ich sehe so etwas in der Natur, aber ich wüsste nicht, wie ich es auf dem Papier zum Leben erwecken sollte."
    Sie nickte ernst. "Sie haben ein gutes Auge. Sie haben genau beschrieben, worin die Herausforderung besteht. Halten Sie den Hintergrund für zu dunkel?"
    Rob dachte ernsthaft darüber nach. "Nein, er hebt die Details hervor."
    "Ja, das denke ich auch. Ich liebe diese Wirkung, obwohl ich sonst eher hellere, lichtere Farben benutze. Ich bin eine große Bewunderin von Anne Vallayer-Coster, aber ich finde ihre Hintergründe zu dunkel. Kennen Sie ihre Werke?"
    "Ich bin nicht sehr vertraut damit, aber ihren Namen habe ich schon gehört. Sie war die Malerin von Marie Antoinette, nicht wahr?" Rob zog einen Stuhl näher zum Feuer, und sein Gast setzte sich.
    "Ja, die Hofmalerin und eine der vier Frauen, die in die Königliche Akademie für Malerei und Bildhauerei aufgenommen wurden." Miss Kethley seufzte. "Seit der Revolution sinkt ihr Stern, doch sie hatte immerhin das Glück, dass man ihr Genie erkannte. Für Frauen ist es so schwer." Während Rob verständnisvoll nickte, fragte er sich, ob man vielleicht auch ihr Talent herabgesetzt hatte. "Ich fürchte, da haben Sie Recht."
    "Und nicht nur in der Malerei, beim Schreiben ist es genauso. Viele Frauen benutzen Männernamen, damit ihre Werke überhaupt verlegt werden. Und Tänzerinnen sind für die Leute nur …" Sie errötete. "Sie haben den gleichen Status wie … Nun …"
    Rob tat ihre Verlegenheit Leid. "Sie sind für die Leute wenig besser als Prostituierte", vollendete er den Satz für sie. "Sie haben Recht. Es ist ganz und gar nicht gerecht."
    Immer noch errötend, lächelte sie ihn an. "Klare Worte zu wählen kann manchmal sehr nützlich sein."
    "Der Meinung war ich auch immer." Er lächelte. "Aber da ist schon Burnside und versucht, uns zu sagen, dass das Abendessen wartet."
    Bei ausgezeichnetem Schinken mit Sauce Cumbria musterte Iantha verstohlen ihren Gastgeber. Wieder trug er keine Abendkleidung, sondern seinen bequemen Wildlederanzug. Zu einer schmucklosen Weste trug er eine schlichte Halsbinde. Ein einfacher Mann, wie er selbst gesagt hatte. Dafür aber sehr gut aussehend, mit einem kantigen Gesicht und einem ausgeprägten Kinn, das in der Mitte eine Kerbe zeigte. Das Feuer zauberte rötliche Lichter auf seine dichten braunen Locken, und um seine Augen schienen sich unentwegt kleine Lachfalten zu

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