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Die silberne Maske

Titel: Die silberne Maske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz , Stephanie Seidel
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weder Naburo noch Laura durften es sich leisten, ihn zu verlieren. Sicher würden sie irgendwann den Weg aus dem Gebirge finden, doch wie viel Zeit würde bis dahin vergehen?
    Tapfer sein, Mädchen, redete sie sich selbst zu. Denk an Zoe, was sie immer alles durchhalten musste in ihrem Job. Und jetzt ist sie gerade in allergrößter Gefahr und wahrscheinlich genauso müde wie ich. Da müssen wir jetzt einfach beide durch. Und solange ich nicht beim Gehen einschlafe, ist alles bestens. Die Füße werden mich schon noch eine Weile tragen, sie sind inzwischen ja gut trainiert.
    Seit der Bruchlandung in Innistìr hatte sie bereits eine Menge Gewaltmärsche hinter sich. Meistens durch Wüsten. Aber auch durch unwirtliche Gegenden und zuletzt sogar auf eine Flanke des Olymp. Und hier war es ausnahmsweise vergleichsweise angenehm - passende Temperatur, Sonnenschein, weicher Boden auf ebenem Gelände.
    Und sie wusste, dass Naburo sie tragen würde, sobald sie nicht mehr konnte. Und weil sie das wusste, erfasste sie der Ehrgeiz, nicht auf seine Hilfe angewiesen zu sein. Diese Schmach wollte sie sich ersparen, dafür war sie schon zu weit gegangen.
    Es konnten höchstens drei Stunden bis zur Abenddämmerung sein. Ein Klacks!
    »Du wirst ohnehin den kürzesten Weg zum Lager finden, das wird uns in jedem Fall eine Menge Zeit ersparen«, sagte sie als Trost für Spyridon und für sich selbst.
    Spyridon antwortete nicht, er ging voran; es sah aus, als würde er von einer unsichtbaren Schnur gezogen.

3
    Schatten
    an der Wand
     
    V or zwanzig Tagen.
    »Hat er die Stadt verlassen?«
    »Ja.« Ruan achtete darauf, die Tür fest zu schließen, bevor er sich von ihr abwandte, um den palastartigen Wohnraum des Hohen Priesters zu durchqueren. Elfen hatten nicht nur spitze, sondern auch gute Ohren - besonders die Diener auf den Fluren der Kartause, wo sich das heimliche Lauschen mehr lohnte als irgendwo sonst in der Stadt.
    »Komm und leiste mir beim Essen Gesellschaft!« Maletorrex winkte mit einer gegrillten Flusskrabbe, dass ihre Scherenbeine klappernd aneinanderschlugen. »Berichte mir.«
    Er saß in einem Sessel an der Fenstergalerie, die Beine hochgelegt und ein weißes Tuch um den Hals gebunden. Serviette wäre die falsche Bezeichnung gewesen. Tischdecke traf es eher.
    Das mannshohe Spitzbogenglas zu seiner Linken gewährte einen Panoramablick auf Dar Anuin, der fast zwei Drittel der Stadt erfasste, von der Kartause im Vulkangrund bis hinauf zum Kraterrand. An dessen Ostseite, in hundertfünfzig Schritten Höhe, glänzte der Widerschein des Abendrots - ein Band aus Licht, das zusehends schmaler wurde.
    Als Ruan hinzutrat, wies Maletorrex kauend auf einen Stuhl. Doch die erhoffte Einladung, sich ebenfalls an der reichen Speisentafel zu bedienen, blieb aus. Sie war über mehrere Beistelltische verteilt; eine ganze Familie hätte davon satt werden können. Für den Priester war sie nur eine Zwischenmahlzeit, und sie erfreute ihn nicht einmal besonders, weil sein Lieblingsessen fehlte: Hähnchenschenkel waren gestrichen. Die Hühner von Dar Anuin hatten Milben.
    Enttäuscht nahm der Faitache Platz. Er hatte Hunger, und es fiel ihm schwer, all die Köstlichkeiten zu ignorieren, deren Duft so verlockend um seine Nase strich.
    Ruan war ein attraktiver Elf, der nicht nur Frauen heiße Träume bescherte. Wer ihn nicht kannte, hätte den durchtrainierten, schwarz gelockten Mann in der knallengen Uniform auf Anfang dreißig geschätzt und seine Wurzeln in Yatàn vermutet, dem Spanien der Anderswelt.
    Tatsächlich war Ruan über vierhundert Jahre alt und der Sohn eines Hirsebauern aus Innistìr. Aber das wusste kaum jemand, und seinen zahlreichen Verehrern beiderlei Geschlechts wäre es wohl auch egal gewesen. Spätestens wenn er lächelte. Dann hatte er Grübchen in den Wangen, die unbedingt geküsst werden wollten. Wie sein Mund mit den makellosen weißen Zähnen. Die seidige Haut auf seiner Brust, die den Duft wilder Rosen verströmte. Und sein Körper - so stark und männlich und so gut zu umfassen ...
    »Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?«
    »Hmm?« Ruan fuhr wie erwachend hoch aus seiner innigen Selbstbetrachtung, die er sich gerne gönnte, wenn gerade niemand da war, der das übernehmen konnte.
    »Ich fragte: Wie ist der Rest gelaufen?«, schnarrte Maletorrex. Er sah nicht aus, als wäre er bereit, ein paar Schmeicheleinheiten zu verteilen. Ohrfeigen schon eher.
    Ruan hörte auf, verträumt zu lächeln, und räusperte sich. Er war

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