Die silberne Maske
geschafft, sich vor Riesen zu verstecken!
Sie folgte dem Licht der Moose und Flechten, um sich einigermaßen zurechtzufinden. Immer wieder schlüpfte sie in Buschwerk hinein, verhielt lauschend, bevor sie sich weiterbewegte.
Schließlich fand sie, wonach sie gesucht hatte - eine Höhle unter einem Baum. Dort konnte sie sich verstecken. Falls die Verdammten nicht in der Lage waren, ihrer Witterung zu folgen, konnten sie sie hier nicht so schnell finden. Laura hatte zwar auf ihrem Weg Astwerk geknickt und vermutlich jede Menge sonstige Spuren hinterlassen, aber sie hatte sich kreuz und quer bewegt, und diese armen Seelen waren ganz gewiss alles andere als professionelle Fährtensucher. Sie mussten schon zu lange hier ihr Dasein fristen, ohne Grundbedürfnisse, erfüllt von Hass und im Wahnsinn gefangen. Sie würden nicht die nötige Geduld aufbringen. Zumindest hoffte Laura das.
Sie schlug einen Bogen um die Höhle und näherte sich ihr von hinten, hangelte sich balancierend über die wie ein Netz verzweigten, kräftigen Wurzeln und erreichte so das eigentliche Ziel. Mit den Füßen voran rutschte sie in die zwischen den Wurzeln entstandene Höhle hinein. Ob sie nun auf natürlichem Wege oder durch Erosion entstanden war, darüber dachte sie in diesem Moment nicht nach. Sie brauchte ein Versteck. Sie schob Laub vor den Eingang, grub sich ein wenig in die lockere Erde ein, drückte sich fest und flach an und verhielt sich dann ganz still.
Das Einzige, was noch Lärm von sich gab, war ihr Herzschlag. Laura hielt die Lippen fest zusammengepresst, um sich nicht zusätzlich durch lautes Keuchen zu verraten, und zwang sich, so ruhig wie möglich durch die knapp über dem Boden befindliche Nase zu atmen.
Nur ihre Augen bewegten sich, und aus ihrer Käferperspektive sah alles noch viel unheimlicher aus. Müdigkeit überfiel sie, doch sie musste wach bleiben. Schlafen konnte sie ein andermal, jetzt ging es wieder einmal um ihr Leben.
Laura riss die Lider hoch, ihre Augäpfel rollten nach rechts. Soeben krabbelte etwas über ihre rechte Hand. Sie konnte nicht erkennen, was es war, ob Spinne oder Käfer, und es war völlig egal. Unter anderen Umständen wäre sie kreischend davongelaufen. Sie hatte nichts gegen Krabbelviecher, aber bitte schön nicht über sich hinweg, sondern so weit wie nur möglich von ihr entfernt. Am besten im Fernsehen.
Es sah ein wenig aus wie ein Käfer, hatte aber acht Beine wie eine Spinne, und einen über den Kopf gehaltenen Schwanz. Ein ... ein Skorpion. Laura konnte sich nur mit Mühe bezähmen. Schlimmer konnte es nicht mehr werden!
Der Skorpion mochte etwa fünf Zentimeter lang sein. Das allein besagte nicht viel - dennoch konnte sich jede Menge tödliches Gift in seinem Stachel am Schwanzende befinden. Sie erinnerte sich vage daran, einmal gehört zu haben, dass Skorpione umso giftiger wurden, je kleiner sie waren.
Das Tier hatte inzwischen Lauras Gesicht erreicht und stutzte, als es auf den Widerstand ihrer Nase traf. Vorsichtig tastete es mit einem Bein ihre Nase entlang. Sein Schwanz pendelte über ihm hin und her. Es konnte blitzschnell zuschlagen, aus welchem Grund auch immer. Weil es sich bedroht fühlte, weil es Beute hinter der weichen Haut vermutete oder um ein Hindernis zu beseitigen.
Laura merkte, wie Kälte durch ihre Adern floss und wie sich Angstschweiß auf ihrer eisigen Stirn bildete. Hoffentlich fiel nicht ein Tropfen auf den Skorpion herab und verleitete ihn zum Angriff ...
Die Scheren streckten sich nun nach ihr aus, tasteten über den Nasenrücken, dann die Spitze, und Laura betete darum, dass er nicht hineinzwickte. Diese Scheren sahen sehr kräftig aus. Laura war nicht sicher, ob sie sich einen Laut verbeißen und weitere Reglosigkeit zumuten könnte, sollte der Skorpion in ihre Nase kneifen.
Bitte geh doch endlich weiter!, flehte sie in Gedanken.
Plötzlich fuhr der Skorpion herum, reckte die weit geöffneten Scheren hoch und stellte den Stachelschwanz steil auf. Laura wünschte sich, ganz im Erdboden versinken zu können. Sie konnte es jetzt auch spüren - das Herannahen von etwas. Es gab keine Bodenerschütterung durch feste Schritte, dennoch konnten die Verdammten sich nicht völlig unbemerkt anschleichen. Fahl leuchtend schwebten sie zwischen Bäumen und Büschen hindurch, und ein eisiger Hauch wehte ihnen voraus.
Der Skorpion schwankte hin und her, dann machte er sich eilig davon - in die Laura entgegengesetzte Richtung.
Grund zum Aufatmen gab es dennoch
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