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Die silberne Maske

Titel: Die silberne Maske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz , Stephanie Seidel
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Schweigeduell hielt an. Sie hatte sich inzwischen so sehr beruhigt, dass sie gefasst blieb und wusste, dass sie nicht diejenige wäre, die die Geduld als Erste verlor. Es kam, wie es kam, und sie hatte Zeit. Ihre Entführer wollten etwas von ihr, nicht umgekehrt. Laura verzichtete auf die allgegenwärtige Frage nach dem Warum, das interessierte sie überhaupt nicht. Damit sollte man ohnehin nicht vorschnell sein; oft genug erklärte sich eine Tat nämlich von selbst. Und sei es nur, weil derjenige, der sie ausführte, komplett durchgeknallt war.
    Angesichts der vielen sich bewegenden Schatten hier schied diese Möglichkeit aber wohl aus. Das war eine geplante, gezielte Aktion, die wohl dem Zweck der Erpressung diente. Oder Rache, denn wozu sonst sollte man Laura benutzen wollen? Niemand würde ihr Leben mit Gold aufwiegen, und sie hatte keinerlei politischen Einfluss. Geschweige denn dass sie zaubern konnte oder eine tolle Kämpferin wie Veda war.
    Aber Laura und ihre Gefährten hatten sich in den vergangenen Wochen einige Feinde gemacht. Rache wäre demnach ein ziemlich gutes Motiv, besser als Erpressung.
    Ihre eigentliche Sorge galt Naburo und Spyridon. Was war mit den beiden geschehen? Hoffentlich waren sie am Leben und aus irgendeinem harmlosen Grund verhindert. Nichts konnte sie aber auf Dauer aufhalten, und dann würden sie hier eintreffen und aufräumen!
    »Deine Frechheit ist beleidigend!«, zischte da eine heisere Stimme, und dann schälte sich eine Gestalt aus den Schemen heraus, und Laura erschauerte.

    Lauras Absicht war es gewesen, durch ihr Schweigen ein Gesicht ihrer Entführer zu erhalten, doch nun wünschte sie sich, sie hätte es nicht herausgefordert. Dieses Wesen war genauso wenig am Leben wie die Wächter des Turms. Es besaß nur eine semimaterielle Gestalt. Ein Mann, dessen Soldatenuniform in Fetzen hing und ebenso seine Haut, unter der die blanken Rippen zutage traten. Sein Gesicht war mehr Schädelfratze als menschlich.
    »Aus welchem Krieg stammst du?«, fragte Laura. »Ich tippe auf Vietnam. Du siehst aus wie das schlechte Gewissen von Roger Cobb aus House. Frag mich nicht, woher ich diesen vorsintflutlichen Film kenne, denn zu der Zeit war ich noch lange nicht geboren. Aber dieser irre Junge war damals verknallt in mich, und ich ... Ach, egal.« Laura winkte ab. »Lass mich raten - du und deine Freunde hier seid ebenfalls Wächter des Turms.«
    »Nein ...«, zischte die heisere, hohle Stimme. Immer mehr halb verrottete Schemen nahmen Gestalt an, und Laura sah viele Rüstungen und Uniformen aus der menschlichen Historie, wobei sie die wenigsten zuordnen konnte. »Wir sind die Verdammten des Turms«, erklärte der »Vietnamsoldat«, den Laura für sich »Sergeant« nannte.
    »Aber das seid ihr doch alle«, wandte Laura ein.
    Schauerliches, freudloses Totengelächter antwortete ihr. »Nein, wir sind von dort vertrieben worden. Während die anderen im Turm auf Erlösung hoffen konnten, ist uns diese von vornherein verwehrt worden.«
    Laura versuchte, ihre Stellung zu verlagern, die Beine schliefen ihr ein. »Dann habt ihr sicher mitbekommen, dass der Turm nicht mehr ist und die Wächter genauso wenig wie ihr Erlösung finden werden. Ihre Seelen sind verloren, sie wurden wahrscheinlich schon zum Seelenfänger gezogen. Es wundert mich, dass es euch nicht auch getroffen hat.«
    Einige der Verdammten näherten sich ihr drohend. »Interessiert dich denn gar nicht, was wir Vorhaben, und welche Rolle du dabei spielen wirst?«
    »Zum ersten Teil der Frage: nein«, antwortete Laura. Es interessierte sie wirklich nicht, denn sie wusste, dass es in jedem Fall unangenehme Folgen für sie hatte. Eine weitere Lektion Innistìrs: Wer zu viel über sein Schicksal wusste, den ereilte es oft genug. »Zum zweiten Teil: Ich kann gar keine Rolle spielen.«
    »Oh doch«, schnarrte der Sergeant. »Du wirst unser Weg zu Alberich sein, dem verräterischen König.«
    Laura verdrehte die Augen. »Er hat uns alle hintergangen, wie es seine Art ist. Mir ist an seinem Tod genauso gelegen wie euch, und ich hätte gar nichts gegen solche wie euch als Verbündete, aber er ist unerreichbar für mich. Er ist zusammen mit einer Geisel abgehauen.«
    Die Gestalten murmelten durcheinander, schwankten hin und her. Diese Eröffnung schien neu für sie zu sein und ihnen nicht zu behagen. Wahrscheinlich konnten sie den Wald nicht verlassen und waren vermutlich nur nachtaktiv.
    Das sieht nicht gut aus für dich, Mädchen, dachte Laura.

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