Die silberne Maske
versetzte er. »Und das habe ich ganz allein geschafft. Völlig ohne hohle Phrasendrescherei.«
»Es gibt nur eine universelle Wahrheit der Liebe, sie benötigt keine anderen Worte. Aber wir sollten uns nicht streiten. Wir sind doch Gefährten, Freunde, von gleicher Art ...«
Sie rückte ihm wieder näher, und er konnte spüren, wie eifrig sie war, bestrebt, ihn zu bekehren, zu ihresgleichen zu machen.
»Pass auf!«, warnte Luca.
In diesem Moment trat Arun dazwischen, sein unwiderstehlichstes Lächeln auf dem Gesicht, und Sandra verharrte, verwirrt durch seine plötzliche, mächtige Präsenz. Ihr ewiges Friedenslächeln bekam einen neuen Glanz, während sie den Korsaren ansah. Finn spürte, dass er alle Register zog, und seine Ausstrahlung verfehlte ihre Wirkung nicht einmal auf ihn. Sogar Luca stand mit offenem Mund da, überwältigt von diesem überirdisch scheinenden Wesen. Dann huschte kurzzeitig ein ängstlicher Ausdruck über sein Gesicht, den Finn genauso wenig begreifen konnte wie sein merkwürdiges Lächeln vorhin ihm gegenüber.
»Schau mal.« Arun trat nahe zu Sandra. Sie regte sich nicht, strahlte hingebungsvoll zu ihm hoch. Er schöpfte seine Magie der Anziehungskraft vollständig aus; in diesem Moment erinnerte sich Sandra wahrscheinlich nicht einmal mehr an den Schattenlord. Wenn Arun könnte, wie er wollte, würde er den Finsterling wahrscheinlich mit nur einem einzigen Kuss ein für alle Mal aus dem Mädchen treiben. Und bestimmt hätte er das unter anderen Umständen auch getan. Aber so griff er zu einem Notbehelf. Er nahm Sandras Hände, und kurz darauf trug sie weiße Stoffhandschuhe.
Erstaunt blickte sie darauf, versuchte daran herumzuzupfen, aber sie saßen fest wie eine zweite Haut.
»So passt es nun viel besser«, sagte der Korsar mit blendendem Lächeln.
Finn, der schon so viel auf seinen Reisen erlebt hatte, fragte sich, ob er jemals ein schöneres Wesen als diesen Mann gesehen hatte. Wahrhaftig überirdisch, dachte er.
»Zu deiner Reinheit und Güte. Behalte sie, sie sind ein Geschenk.«
»Danke ...« Verzückt betrachtete Sandra die bis zum Ellbogen reichenden, seidig schimmernden Handschuhe. »Richtig schick.«
»Und das Küssen ...«
»Möchtest du meinen Kuss empfangen?«
Das gab Finn einen Stich ins Herz. Sie hatte es nicht vergessen, nicht einmal in diesem Moment.
Arun hatte sich nämlich über sie gebeugt, sein Mund ihren Lippen sehr nah. »Im Gegenteil«, wisperte er und klang dabei so verführerisch, dass selbst Finn geradezu dahinschmolz. Er hatte hier in Innistìr bereits einiges mit Elfen zu tun gehabt, aber das hatte er noch nie erlebt. »Ich hätte gern, dass du damit aufhörst.« Sein Finger war plötzlich an ihren Lippen und strich darüber. Als Arun sich wieder aufrichtete, glitzerte Sandras Mund wie mit Goldstaub überzogen.
Nidi!, dachte Finn.
»Oh«, machte Sandra.
Finn stieß erleichtert den angehaltenen Atem aus. Nidis Goldstaub hatte Sandra und Luca als Gefangene auf dem Fliegenden Holländer damals zum Schweigen verurteilt. Jetzt konnte sie zwar sprechen, aber wahrscheinlich war ihr Kuss, wenn sie ihn überhaupt noch geben wollte, nicht mehr ansteckend.
Sie tastete über ihre Lippen. »Es fühlt sich angenehm an.«
»Ja, es schützt dich«, erklärte Arun. »Diese Iolair hier sind anders als deine Gefährten in Cuan Bé. Die meisten von ihnen sind gefährlich, viele giftig. Du musst ihnen auf andere Weise als durch den Kuss Frieden schenken.«
Finn sah wieder ein beunruhigendes Glitzern in Sandras Augen, kurz nur, dann war sie wieder ganz lächelnde Predigerin.
»Ich danke dir, Bruder. Frieden sei mit dir.« Und damit entfernte sie sich.
Finn war nicht sicher, wie viel Luca mitbekommen und verstanden hatte, weil er selbst völlig verwirrt war. Der Junge folgte seiner Schwester; er musste also später mit ihm sprechen.
Immerhin erlosch die strahlende Übergestalt Aruns endlich, und der auf Normalmaß reduzierte Korsar trat wieder hervor. Und kam auf Finn zu. Auf seinem Gesicht lag nicht einmal mehr die Andeutung eines Lächelns.
»Bist du dir überhaupt im Klaren darüber, was du getan hast?«, fragte Arun leise.
»Wir werden ja wohl mit einem fünfzehnjährigen Mädchen fertig«, erwiderte der Nordire.
»Aber nicht mit dem Schattenlord«, sagte Arun. »Mit jeder weiteren Predigt, die sie hält, mit jedem Ohr, das ihr mehr Aufmerksamkeit schenkt, als es gut ist, gewinnt er mehr an Boden.«
Finn runzelte die Stirn. »Ich dachte, er ... er ist
Weitere Kostenlose Bücher