Die silberne Maske
es nur noch sie beide und niemanden mehr sonst. Und wieder. Und wieder ...
Die Abenddämmerung kam, und sie lagen nach wie vor eng umschlungen am See, voll unstillbarer Gier und Sehnsucht. Die Nacht konnte ihre Hitze kaum abkühlen.
Als der Morgen kam, erhoben sie sich, suchten ihre Sachen zusammen und kleideten sich schweigend an.
Als er fertig gegürtet war, sprach Leonidas die ersten Worte.
»Alberich hat mir Generalvollmacht erteilt. Ich bin auf dem Weg nach Morgenröte und werde den Palast mit meinen Soldaten besetzen. Versuche nicht anzugreifen, ihr werdet scheitern.«
»Wo ist er?«, fragte Veda nüchtern.
»Er zieht alle verfügbaren Soldaten zusammen, Freiwillige oder nicht, und hat Marschbefehl erteilt. Deswegen muss ich Morgenröte halten.«
Laura ist gescheitert. Veda ließ sich nichts anmerken. »Er verlangt nicht deine Teilnahme?«
»Das wäre ungeschickt.«
»Aber ... der Marschbefehl? Wo geht er hin? Zu meinem Lager?«
»Nein, davon weiß er gar nichts. Ich habe es nicht erfahren, wohin er will, ich weiß auch nicht, wo er sich jetzt aufhält.«
»Cuan Bé ...«, flüsterte sie. »Unsere Geheimbasis. Dort will er hin ...«
»Möglich, aber dumm. Wie will er die Basis finden, nachdem es ihm bisher nicht gelungen ist?«
»Es nutzt ihm ohnehin nichts. Der Schattenlord hat dort die Macht übernommen ...«
Leonidas’ gelbe Augen blitzten auf. »Die Rebellion ist also endgültig gescheitert.«
»Mit dem Schattenlord war nicht zu rechnen!«, fuhr Veda auf. »Und ich gebe nicht auf, ich habe genügend Getreue um mich versammelt, und weitere, die aus Cuan Bé entkommen konnten, werden dazustoßen.« Sie zögerte. »Wirst du es ihm sagen?«
Der General stieß ein Grollen aus. »Nein. Alberich wird von allein draufkommen. Sein Kampf interessiert mich nicht mehr. Der Schattenlord bereitet mir mehr Kopfzerbrechen. Er ist weitaus mächtiger, als es bisher den Anschein hatte. Er ist unser größtes Problem.«
Das sah sie genauso. »Und er wird aus Feinden Verbündete machen.«
»Zähle nicht darauf.«
Sie presste die Lippen zusammen.
Leonidas ging zu seinem Schwert, hob es auf und steckte es ein. »Seht euch vor«, warnte er mit tiefer Stimme. »Ein Sturm zieht auf, schlimmer, als ich es je sein könnte.«
Veda nahm seine Worte ernst. »Von woher?«, fragte sie.
Er wies in nördliche Richtung. »Schon bald.«
Auf seinen leisen Pfiff hin kam sein Hengst angezockelt, und Leonidas stieg in den Sattel.
»Wir sind alle Verdammte«, waren seine Worte zum Abschied. Kurz darauf war er in einer Staubwolke verschwunden.
»Wir werden es dereinst nicht mehr sein«, flüsterte sie.
Veda ging zu Blaevar, der sie freudig begrüßte, und schwang sich auf ihn. Ihr Herz war viel schwerer geworden.
Sie lenkte den Pegasus Richtung Norden, wohin Leonidas gewiesen hatte. Sie flog lange.
15
Die Nacht
der Eulen
V or wenigen Tagen.
Ein neuer Tag begann in Dar Anuin. Es war noch früh; Morgendunst verhüllte die aufgehende Sonne, und auf der Kraterstraße mit ihren Barrikaden und Kriegswunden war alles still.
Nahe am Vulkangrund, wo die düstere Kartause aus den zögerlich weichenden Nachtschatten ragte, stand das Haus des Gerbers.
Cordt gehörte zum Widerstand. Er hatte durch seinen Beruf das Privileg, die Stadt verlassen zu dürfen, und er nutzte es dazu, bedrohte Elfen hinauszuschmuggeln. Ins echte Dar Anuin, das inmitten von Feldern und Obstplantagen draußen am Drachenzahnfelsen lag und erheblich bessere Möglichkeiten bot, sich vor den Faitachen zu verstecken.
Gleich sollte eine weitere Aktion starten. Cordt war bereits im Schuppen und traf letzte Vorkehrungen. Die Sache war heikel - es galt, ein Kleinkind durchs Himmelstor zu schleusen. Andere Fluchtwege kamen in diesem Fall nicht infrage, dafür war das Kind zu klein. Aber es musste aus der Stadt verschwinden! Seine Schwester war eine gesuchte Rebellin, die mit viel Geschick den Faitachen auf der Nase herumtanzte.
Noch kannte niemand ihre Identität; sie trug bei ihren Aktionen eine schwarze Maske, die ihr den Beinamen Der Spuk eingebracht hatte. Niemand wusste, ob das Wesen unter der Maske Mann oder Frau war.
Labinnah saß am Küchentisch, als Cordt ins Haus kam. Sie hatte ihren Bruder auf dem Schoß, tauchte Brotstückchen in Honig und fütterte ihn damit. Beslam schien es zu gefallen. Er sperrte den spuckefeuchten Mund auf wie ein kleiner Vogel. Manchmal lachte er, und man konnte seine ersten Zähne sehen.
»Wir wären dann so weit«,
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