Die silberne Maske
sagte Cordt und stellte eine Flasche auf den Tisch.
Labinnah runzelte die Stirn. »Was ist das?«
»Schnaps. Gib ihm einen Schluck, damit er müde wird.«
»Was?« Die junge Frau hatte Mühe, ihren Bruder festzuhalten. Beslam wollte das fremde Objekt unbedingt haben, selbst wenn er dazu weitere Arme entwickeln müsste. Seine Speckhändchen waren überall, er strampelte vor Ungeduld, weil sich die Flasche einfach nicht greifen ließ. Schon begann das kleine Kinn zu zittern.
»Ich kann ihm doch keinen Schnaps geben! Er kann noch nicht mal laufen, Cordt!«
Der Gerber nickte. »Und Hosenscheißer wie er schreien, wenn ihnen was nicht gefällt. So wie jetzt.«
Beslam warf das Köpfchen zurück und brüllte, was die Lunge hergab. Seine winzigen Spitzohren färbten sich rot.
»Siehst du, was ich meine?« Cordt zeigte auf Beslam. »Wenn er das am Himmelstor abzieht, sind wir alle erledigt. Die Faitachen schonen niemanden! Auch einen Winzling nicht. Also gib ihm das Zeug. Ich warte im Schuppen auf dich.«
Der alte Mann stapfte davon. Labinnahs verzweifelte Blicke folgten ihm, bis er die Küche verließ. Sie war aufgestanden, schaukelte das schreiende Kind auf dem Arm und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
Der Kleine würde einen Schluck aus der Flasche vertragen können; er war ein Elfenkind, kein schlaffes, sterbliches Menschenwesen. Es gab Elfen wie Cluricaune, die sogar in der Wiege an einer Flasche statt an der mütterlichen Brust nuckelten, weil sie eben so waren. Sie musste aufhören, ihren Bruder überzubehüten, das war unelfisch. Im Gegensatz zu den Menschen konnte er keinerlei Schaden daran nehmen; Elfen wurden nicht einmal süchtig danach. Nach anderen Dingen durchaus, aber nicht etwas, das sie gern als »Lebenswasser« bezeichneten. Diese verdammten Priester waren schuld daran, dass sie ihre Identität verloren und anfingen, sich wie Menschen zu benehmen! Tod den Priestern!, dachte sie grimmig. Wir sind Elfen, und wir werden uns jetzt wieder daran erinnern!
»Ninni!«, heulte Beslam.
Labinnah horchte auf. Ninni war ein kleiner Stoffdrache, Beslams einziger Besitz und Freund. Ohne das zernuckelte Ding mit dem fehlenden Ohr und den Erdbeerflecken ging Beslam nicht ins Bett. Man konnte ihn hineinlegen, ja. Doch an Schlaf war dann nicht zu denken. Weder im Haus noch in der Nachbarschaft.
Die Elfin fand Ninni unter dem Küchentisch und gab ihn Beslam. Er verstummte augenblicklich.
»Und?«, fragte Cordt, als Labinnah den Schuppen betrat.
»Er schläft schon fast«, sagte sie. Beslam hielt seinen Stoffdrachen fest und nuckelte an dessen Ohr. Manchmal fielen ihm die Augen zu.
Cordt nickte. »Auf geht’s!«
Er ging um seinen Handkarren herum, ein großes altes Holzkonstrukt mit geschlossenen Seitenwänden. Cordt transportierte darin Tierhäute aus der Gerberei am Fluss in die Stadt. Momentan war er viel unterwegs, weil außer den Faitachen jetzt auch die Priester Uniform trugen. Alle aus Leder. Alle in Schwarz.
Ächzend bückte er sich und tastete nach einem versteckten Riegel unter dem Karren. Als er ihn betätigte, klappte die Rückwand herunter. Jetzt und nur jetzt fiel auf, dass der Innenboden zu hoch war für das stattliche Gefährt: Unter dem Boden war ein Hohlraum, gerade groß genug, um einen Erwachsenen darin zu verstecken. Cordt hatte etwas Stroh hineingetan. Einladend wies er darauf.
Ernst und blass trat Labinnah an den Karren. Sie legte das Kleinkind vorsichtig in das Versteck, dann umarmte sie Cordt und kroch hinterher.
»Viel Glück!«, sagte der alte Mann, bevor er die Rückwand schloss.
»Uns allen!«, flüsterte Labinnah.
Cordt ging nach vorn, um die Schuppentür zu öffnen. Unterwegs kam er an einem zusammengesunkenen Haufen vorbei, der Schnarchgeräusche von sich gab. Er verpasste ihm einen Tritt.
»Wach auf, Slubby! Es gibt Arbeit.«
»Och«, machte das Ding und richtete sich auf.
Slubby war Cordts Sklave; ein riesiger, braun behaarter Troll. Er hatte einen starken Unterbiss, was ihn so blöde aussehen ließ, wie er war, jedoch seine beeindruckenden Eckzähne gut zur Geltung brachte. Träge schlurfte er hinter seinem Besitzer her. Als er die Zugstange des Karrens ergriff, hielt Cordt ihn auf.
»Wir nehmen heute das Lu-lu mit!«, sagte er eindringlich. »Du musst schön vorsichtig sein, hörst du?«
»Lu-lu«, wiederholte der Troll. »Vor. Sicht.«
Sprach’s und ruckte den Wagen an, dass es nur so krachte.
Kopfschüttelnd folgte ihm Cordt. Er mochte seinen
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