Die silberne Maske
großzügigen Schlaf- und Wohnraum. Er kletterte auf den Kartentisch und sah Arun streng an, mit vor der felligen Brust verschränkten Armen.
Der Korsar hatte ihn hinter dem Tisch stehend erwartet; womit er sich vorher beschäftigt hatte, war nicht ersichtlich.
»Wir müssen reden«, sagte Nidi. »Jetzt.«
Arun nickte. »Leg los.«
»Die Sache ist schiefgelaufen«, kam der Schrazel ohne Umschweife zur Sache.
Arun fuhr sich durch die gelockten, brustlangen schwarzen Haare; er trug weder Hut noch Tuch. Seine türkisfarbenen Augen verdüsterten sich. »Dass Alberich noch lebt, muss nicht bedeuten ...«
»Der Dolch ist verloren gegangen. Ich kann es spüren.«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher.«
Der Korsar seufzte. Er ging zu einer Anrichte, goss sich Rum in ein Kristallglas und nahm einen tiefen Zug. »Verdammt.«
»Das kannst du laut sagen.« Nidi hangelte nach einem Apfel aus der Obstschale und biss hinein.
»Was ist mit Laura?«, stellte Arun nach einer Weile zögernd die nunmehr wichtigste Frage.
Nidi hob die schmalen Schultern. »Ich weiß es leider nicht. Aber ... der Dolch geht vor, so leid es mir tut. Ich muss ihn suchen, Arun, jetzt gleich und sofort. Ich muss ihn finden und zurückbringen. Diese Sache muss zu Ende gebracht werden!«
Das zweite ordentlich volle Glas war geleert. Arun betrachtete nachdenklich die letzten Tropfen am Rand. Eine Wirkung war nicht zu bemerken. »Was habe ich damit zu tun?«
»Dein Schiff fliegt schneller, als ich laufen kann. Und wir beide müssen fort. Hier zieht ein gewaltiger Sturm auf, an dem wir uns aber nicht beteiligen dürfen, weil wir zuerst den Dolch zurückholen müssen! Deshalb müssen wir weg - und weil wir den Dolch am schnellsten finden und zurückbringen können.«
»Das kann mein Steuermann erledigen, er fliegt das Schiff, wohin du willst, und meine Mannschaft ist kampferprobt. Ich frage dich erneut: Was habe ich damit zu tun?«
Nidi sah zu ihm hoch, mit weit geöffneten Augen. »Du weißt, wer ich bin.«
»Ich weiß von jedem, wer er ist«, kam prompt die Antwort.
»Ja, das glaube ich dir. Bei mir ist das anders. Aber ich weiß, wer du bist.«
Arun musterte ihn mit einem undeutbaren Blick, der Nidis Haare sich aufstellen ließ. »Hm.«
»Hilf mir«, bat Nidi. »Damit hilfst du auch dir selbst. Lass uns abfliegen, noch in dieser Stunde!«
Arun wandte sich ab, griff nach dem Piratentuch und wickelte es um den Kopf, dann setzte er den Korsarenhut auf. »Das gefällt mir nicht, Nidi«, sagte er ernst. »Ich sollte hierbleiben.«
»Ich kann es dir nicht erklären, Arun! Aber ich fühle, dass wir zusammen reisen müssen, auf der Stelle, mit deinem Schiff.« Der Schrazel redete beschwörend auf den Korsaren ein. »Ansonsten werden wir den Dolch verlieren und alles andere gleich mit. Du hast hier das Nötige getan, jetzt geh mit mir!«
»Also gut.« Arun gab sich einen Ruck. »Wahrscheinlich hast du recht. Und wer bringt es Milt und Finn bei?«
»Na, ich«, sagte Nidi traurig. »Aber ich hatte gehofft, du unterstützt mich.«
Der Korsar lächelte leicht. »Auf meine Schulter, Kamerad. Bringen wir es hinter uns.«
Zuerst gingen sie zu Milts Kabine und mussten feststellen, dass er gar nicht mehr an Bord war. »Dann ist er bestimmt bei Finn unten«, sagte Nidi erleichtert. »Das heißt, es geht ihm wieder gut! Eine Sorge weniger.«
»Hoffentlich nutzt er das nicht gleich wieder für einen weiteren Streit aus.«
Arun gab Befehl, die Landgänger an Bord zu holen. Sie verließen das Schiff, Nidi saß auf Aruns Schulter, und entdeckten die beiden Männer kurz darauf in der Nähe von Finns Unterkunft. Er hatte seit Lauras Abreise nicht mehr auf dem Schiff geschlafen, ohne den Grund dafür zu nennen. Es sah so aus, als ob die beiden in eine rege Diskussion vertieft wären.
Nidi trommelte nervös mit dem Finger auf Aruns Ohr. »Die haben was vor ...«, murmelte er.
Milts und Finns Gesichter zeigten gemischte Gefühle, als sie den Korsaren und seinen kleinen Begleiter bemerkten. Sie ahnten nichts Gutes, und wie recht sie damit hatten, wurde ihnen sichtlich klar, als Arun sie aufforderte, ihm zu folgen.
Sie gingen an den Rand des Lagers, zu der Lücke in der Palisade, wo die Cyria Rani ankerte.
Nidi räusperte sich und kam genau wie vorhin in Aruns Kajüte direkt zur Sache. Ohne Umschweife berichtete er von seinen Befürchtungen. Milt und Finn wurden abwechselnd blass und noch blasser, und sie machten sich jeder für sich Vorwürfe, nicht mit Laura
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