Die silberne Maske
Schattenlord ihm nicht dreinreden, so viel begriff er. Viel wichtiger war es, dass sie endlich in den Krieg ziehen konnten, auf den sie unbewusst all die Jahrhunderte gewartet hatten. Einen größeren Krieg, als sich derjenige, der sie damals hier eingesperrt hatte, vermutlich jemals hätte vorstellen können. Er hätte die Gog/Magog besser vernichtet, anstatt sich gütig zu zeigen. Güte war falsch und dumm, und sie war ein Zeichen von Schwäche. Die Gog/Magog würden den Welten zeigen, was die Güte wert war. Sie würden es alle lernen.
»Stelle uns zufrieden, und wir werden dir dienen«, sagte er und entblößte seine Zähne.
»Ihr werdet zufrieden sein, solange ihr mir treu dient«, antwortete der Schattenlord.
Damit waren sie sich einig.
»Nun denn!«, sagte Akuró vergnügt und rannte los, auf einen in der Nähe befindlichen Eingang zu seinem unterirdischen Reich zu. »Wenn du gestattest, ich habe viel zu tun. Ein Heer aufzustellen! Weise mir den Weg, und wir werden kommen, bald, sehr bald.«
»Sehr gut. Es gilt, keine Zeit mehr zu verlieren. Und keine Sorge wegen der Mauer. Ich kann sie zwar nicht in dieser kurzen Zeit beseitigen, aber ich werde euch einen Weg schaffen, sie zu überwinden. Ich habe den Zauber vernichtet, also werde ich wohl eine Leiter finden.«
Der Triumph in der Stimme des finsteren Wesens spornte Akuró an.
Und der Himmel über Innistìr wurde dunkler.
Morgenrötes Lager, jetzt.
»Was machst du denn hier unten?«, fragte Finn überrascht, als unerwartet Milt auftauchte. Der Nordire saß zum Mittagsmahl an einem der Plätze, wo Essen ausgegeben wurde.
Sandra war wie immer im Lager unterwegs, teilte Essen und »gute Worte« aus. Immerhin verhinderte Nidis Goldstaub, dass sie den Kuss weitergab, und sie konnte niemanden mit ihren Händen berühren, da sie nicht in der Lage war, die Handschuhe auszuziehen. Es ließ sich dennoch nicht vermeiden, dass sie weiter predigte, und noch weniger, dass die Leute ihr zuhörten. Sie hatte viel von Rimmzahn gelernt, wusste, mit welchen Binsenweisheiten sie die Zuhörer einfangen konnte. Das funktionierte bei Elfen genauso wie bei Menschen.
Finn ging dazwischen, sooft es möglich war, eingedenk Vedas eindringlicher Mahnung, dass gefälligst er und Milt dafür Sorge zu tragen hatten, Sandra in den Griff zu bekommen. Die Amazone war noch nicht zurückgekehrt; wahrscheinlich war sie auf einem Erkundungsflug nach Morgenröte unterwegs, um zu sondieren, ob sie den Palast mit ihrer Handvoll besetzen konnten. Nun, das war untertrieben, sie waren mehr als tausend Krieger, aber das reichte bei Weitem nicht. War Alberich inzwischen zurück? Was ging im Palast vor sich? Weshalb gab es keine Nachricht von Sgiath? War ihm etwas zugestoßen, saß er gefangen im Palast?
Die Späher fanden nichts heraus, und deshalb nahm Finn an, dass Veda das selbst in die Hand genommen hatte. Ungewöhnlich war nur, wie lange sie fortblieb. Aber sie hatte ja gesagt, dass sie nachdenken wollte.
Im Lager herrschte eine gespannte Atmosphäre, in die Sandras Worte hineinhallten und hängen blieben.
Milt hatte sich wie versprochen nicht blicken lassen, doch nun hatte er das Schiff verlassen und steuerte auf Finn zu.
»Was ich hier mache?«, gab er zurück. »Ganz einfach - hier ist mehr los. Ich habe die Stille da oben nicht mehr ausgehalten, weil meine Gedanken zu laut waren. Arun hält sich die meiste Zeit in seiner Kajüte versteckt, die Mannschaft lungert herum oder beschäftigt sich mit irgendwas, wenn sie nicht gerade auf Landgang ist. Und schau mich an: Es geht mir gut, oder?«
Finn musste zugeben, dass Milt zwar blass und schmal wirkte, aber seine Lippen hatten eine normale Farbe, er atmete gleichmäßig und bewegte sich energiegeladen.
»Gut, dass du zurück bist, Kumpel«, sagte er und wies auf den Platz neben sich. »Iss was, und dann halten wir Kriegsrat, was wir mit Sandra machen. Und nein, fesseln und knebeln und wegsperren ist keine Option mehr.«
Milt grinste, holte sich eine Schüssel Eintopf und setzte sich neben Finn.
Auf der Cyria Rani herrschte träge Mittagsruhe. Die meisten Mannschaftsmitglieder hatten bereits gegessen und lagen nun dösend in der Sonne an Deck. Nidi sprang auf den Türgriff zu Aruns Kajüte im Heck und klopfte mit dem Fingerknöchel gegen das Holz. Ein zarter Laut, aber der Korsar hörte ihn.
»Komm rein.«
Der Schrazel öffnete die Tür, schubste sie von der anderen Seite zu und sprang dann in den gemütlich eingerichteten,
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