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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Maul gestopft hatte, versammelten sie sich.
    Und einer von ihnen, ein Schriftgelehrter, versuchte ihn und fragte:
    Meister, welches ist das höchste Gebot im Gesetz?
    Jesus aber antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.
    Dies ist das höchste und größte Gebot.
    Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
    «Ein Gleichnis aus dem Matthäusevangelium», bestätigte der Priester.
    «Ja, Vater. Und gegen dieses Gebot habe ich verstoßen. Ich habe den Herrn nicht von ganzem Herzen und von ganzer Seele geliebt, sondern den, den ich zu meinem Herrn erkoren habe: meinen Mann. Und darüber habe ich vergessen, mich selbst zu lieben und wertzuschätzen. Die Seele, die mir Gott gegeben hat, habe ich nicht gehütet.»
    «Erzählt, Tochter, was Euch widerfahren ist.»
    Und Eva tat es. Zum ersten Mal, seit sie David kennen gelernt hatte, redete sie sich allen Kummer, alle Ängste und alle Zweifel von der Seele. Sie begann mit ihrer Vorstellung von einem Leben in Liebe. Sie sprach von den Blumen der Liebe, von Susanne, von den Abdrücken. Sogar von ihrem Kinderwunsch erzählte sie und von der Angst um Adam.
    Sie wusste nicht mehr, wie lange sie geredet hatte, doch hinterher fühlte sie sich erschöpft und erleichtert zugleich.
    Johann von Schleußig schwieg lange. Endlich aber sagte er: «Ihr seid eine mutige Frau, Eva, denn Ihr habt den Mut, Fehler einzugestehen. Das, Tochter, ist ein Kennzeichen der Neuen Zeit. ‹Der Mensch ist das Maß aller Dinge.› Mir scheint, Ihr seid eine der ganz wenigen, die diesen Satz verstanden haben. Mehr noch, Ihr habt ihn ergänzt: Der Mensch und sein Handeln sind das Maß aller Dinge.»
    «Danke, Vater», flüsterte Eva.
    «Ich werde Euch helfen, Tochter, so gut ich es vermag. Kommt zu mir, wann immer Ihr mich braucht. Wisst Ihr, was Ihr als Nächstes vorhabt?»
    «Ja. Ich werde mir zurückerobern, was ich verloren habe. Gott hat David und Eva zusammengeführt. Ich werde seine Liebe wiedergewinnen und werde versuchen, sie mit Leben zu erfüllen. Auch wenn ich dabei erkennen sollte, dass ich mich getäuscht habe. Ich muss an ihm festhalten, Priester, sonst war alles das, was ich bisher gelebt habe, vergebens.»
    Johann von Schleußig schwieg wieder eine ganze Weile, ehe er sagte: «Ihr habt den schwierigeren Weg gewählt, meine Tochter. Ihr habt meine Achtung schon immer gehabt, doch erst jetzt weiß ich, wie sehr Ihr sie auch verdient. Gott segne Euch, Eva.»
    Mit diesen Worten verließ der Priester seinen Stuhl und sein Amt. Er wartete in einer Seitenkapelle auf Eva.
    «Ich habe Euch noch etwas zu sagen, das mir im Beichtstuhl verboten ist», flüsterte er.
    «Ja?», fragte Eva.
    «Ihr könnt die Ehe annullieren lassen. Wenn Euer Mann Euch ein Kind verweigert, so ist dies ein Grund für die Auflösung der Ehe. Hebt die Pessare und die Überzieher aus Tierdarm gut auf. Womöglich müssen sie Eure Worte beweisen.»
    «Annullierung?», fragte Eva.
    «Ja. Ihr könnt Euch befreien, wenn Ihr wollt. Und ich bin bereit, Euch dabei zu helfen, auch wenn dies nicht im Sinne der Mutter Kirche ist.»
     
    Am Abend setzte sie sich zu David und Susanne in die Wohnstube. Die beiden taten, als würden sie über das Geld reden, welches der Haushalt wöchentlich verschlang.
    Eva sah sich ihre Scharade eine Weile an. Schließlich sagte sie laut und mit ungewohntem Nachdruck: «Susanne, ich möchte mit meinem Mann sprechen. Allein.»
    Susanne sah zu David. Erst als dieser nickte, verließ sie das Zimmer.
    «So, wie es jetzt zwischen uns steht, sowohl im Haus als auch in der Werkstatt, kann es nicht weitergehen, David.»
    David öffnete den Mund zu einer Erwiderung, doch Eva hob die Hand. «Nein. Lass mich ausreden.»
    David lächelte, als ob sie ein Kind sei, das etwas ganz und gar Unmögliches versuche, dem man aber trotzdem seinen Willen lasse.
    «Ich bin deine Frau», fuhr Eva fort. «Den Platz an deiner Seite habe ich mir gesucht, und ich gebe ihn nicht verloren. Kinder möchte ich haben, bestimmen, was im Haus geschieht, und bei den Dingen, die die Werkstatt betreffen, um Rat gefragt werden. Deine Liebe, David, hat nicht gehalten, was ich mir davon versprach. Das ist nicht allein deine Schuld. Ich habe es wohl versäumt, dich kennen zu lernen. Das Bild, das ich von dir hatte, habe ich geliebt und darüber den Menschen vergessen. Verloren habe ich mich dabei, bin verarmt in deinen Armen.»
    «Was

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