Die Silberschmiedin (2. Teil)
Vermögensverwalter bestimmt. Der Auftrag, der jetzt bezahlt wurde, stammt noch aus der Zeit vor Eurer Ehe. Also ist es an mir, das Geld zu verwalten.»
In diesem Augenblick begriff Eva, warum der Handelsherr die Dominikaner bisher nicht zur Zahlung gedrängt hatte.
David beugte sich so weit zu Mattstedt, dass sein herabfallendes Haar das Gesicht des Ratsherrn berührte.
«Verschwinde aus unserem Leben, Krämerseele», zischte er. Eva schrie erschrocken auf. «Verschwinde, bevor ein Leid geschieht, und wage dich nicht mehr in mein Haus oder an meine Frau.»
«David!!!», rief Eva und legte eine Hand auf seinen Arm, doch ihr Mann stieß sie grob zur Seite.
Mattstedt ignorierte David. Mit einem traurigen Nicken zu Eva ging er in die Kirche. An der Kirchentür blieb er noch einmal stehen: «Ich bin immer für dich da, Eva. Vergiss das nicht.»
Während der Predigt gelang es Eva kaum, den Worten des Priesters zu folgen. Sie bemerkte die verstohlenen Blicke der Leute, denn der Vorfall vor dem Kirchenportal war nicht unbeobachtet geblieben.
Noch bevor der letzte Segen erteilt worden war, verließen sie die Kirche und eilten durch die stille Stadt nach Hause.
Eva verschwand ohne ein Wort im Wohnzimmer. Sie kauerte sich in den großen Lehnstuhl, schlang die Arme um die Knie und fing an zu weinen.
Sie hatte sie so lange unterdrückt, doch jetzt brachen die Tränen aus ihr heraus. Sie krümmte sich in dem Sessel zusammen, schlug die Hände vor das Gesicht, doch die Tränen quollen zwischen ihren Fingern hindurch und malten dunkle Flecke auf den Stoff ihres Kleides. Ihre Schultern bebten. Sie bemerkte nicht, dass David sich vor sie kniete und ihre Hände in die seinen nahm.
«Niemand darf sich in unser Leben drängen, Eva. Niemand darf sich zwischen uns stellen und unsere Liebe bedrohen, wie es Mattstedt macht.»
«Welche Liebe?», fragte Eva, zog ihre Hände aus den seinen, stand auf und ging in die Schlafstube.
Bis zum Abend blieb sie beinahe unbeweglich auf dem Armlehnhocker sitzen, der vor dem schwarzen Tuch stand. Sie hatte die Hände gefaltet und wollte gern beten, doch sie wusste nicht, was sie dem Herrn sagen sollte.
Als das Dämmerlicht den Schatten die scharfen Kanten nahm, stand sie auf, verriegelte die Tür und zog das Tuch vom Spiegel weg.
Es war das erste Mal, dass sie dies wagte, wenn David im Haus war.
Eine fremde Frau schaute ihr entgegen.
Bin ich das?, fragte sie sich. Dann wiederholte sie es wie eine Beschwörungsformel: Das bin ich.
Ihre Hände griffen nach dem Glas, so als wollte sie sich selbst festhalten. Die Finger rutschten über den Spiegel, hinterließen Schlieren.
Eva drehte sich mit dem Rücken zum Spiegel. Sie wusste, dass das, was sie vorhatte, kindisch war, doch für sie war es richtig und wichtig.
Sie schloss die Augen und sah in Gedanken die Obstschale vor sich. Dann blickte sie über die Schulter auf ihren Po. «Er ist wieder da», flüsterte sie.
Erneut kniff sie die Lider zusammen und stellte sich die Kannen aus Schenkel und Wade vor. Dann sah sie die Körperteile im Spiegel. «Auch ihr seid wieder da.»
Stück für Stück setzte sie sich zusammen.
Sie unterbrach dieses seltsame Spiel auch nicht, als die Türklinke heftig herunterfuhr und die Tür in den Angeln ächzte.
«Mach auf!», hörte sie David rufen, doch sie achtete nicht darauf. Sie überhörte sein Klopfen, sein Rütteln, sein Rufen.
Irgendwann wurde es wieder still draußen. Schließlich hatte sie alle ihre Körperteile wiedergefunden. Sie drehte sich wieder um und betrachtete sich im Spiegel. Ja, das war sie. Der Spiegel war wieder ihr Freund geworden. Zufrieden legte sie sich schlafen, ohne die Tür zu entriegeln.
Seit die Badestuben in der Stadt wegen der Franzosenkrankheit in Verruf gekommen waren, badeten die meisten Leipziger zu Hause. Einmal in der Woche wurde das Wasser von den Mägden eimerweise vom Brunnen im Hof geholt, über dem Herdfeuer erhitzt und in große Zuber gegossen. Zuerst, so war es Brauch, badete der Hausherr darinnen, danach die Hausfrau mit den Kindern, zum Schluss das Gesinde.
Da Eva keine Kinder hatte, musste sie mit Susanne in den Zuber steigen. Früher hatte sie das gern getan. Sie hatte es genossen, wenn die Stiefschwester ihr den Rücken und das Haar wusch. Seit einiger Zeit aber empfand sie das gemeinsame Bad als Qual. Sie mochte Susannes Körper nicht sehen und schon gar nicht berühren. Die großen Brüste, die an Susanne herabhingen, die Schenkel, deren Fleisch
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