Die Silberschmiedin (2. Teil)
geschworen, sich an der Frankfurter Meisterin, die er für die Ursache allen Übels hielt, zu rächen. Er sei kein Sohn eines Ausgestoßenen ohne ehrlichen Geburtsschein, sondern der Sohn eines ehrbaren Handwerkers, der nur durch die Ränke dieser Frankfurterin um Ehre und einen ordentlichen Beruf gebracht worden sei. Sein Zorn auf die Frankfurterin war so groß, dass er auf das Kreuz schwor, sie und ihre Nachkommen zunichte zu machen. Der Gerber konnte seinen Sohn nicht davon abhalten, sosehr er es auch versuchte. Kaum war er halbwegs flügge, verließ er die Eltern und zog in die Welt, um seine Aufgabe zu erfüllen.
Der Gerber hätte wer weiß was darum gegeben, die Frankfurter Meisterin zu warnen. Gutmachen wollte er damit an ihr die versuchte Schändung. Doch die Meisterin war inzwischen tot. Der Gerber hatte zu lange gewartet und noch mehr Schuld auf sich geladen. Nun lag er hier auf den Tod und konnte nichts tun, als zu beten und um Vergebung zu bitten.
Nun, ich erteilte ihm den Segen und blieb bei ihm, bis seine Seele in den Himmel aufgefahren war.»
Adam beendete seine Erzählung und trank einen Schluck von seinem Wein.
Die anderen schwiegen. In Evas Gesicht standen Unglauben und Entsetzen geschrieben. Susanne wagte nicht, den Blick zu heben. Nur David sah Adam geradeheraus an.
«Es reicht jetzt», sagte David mit vor Wut heller Stimme.
«Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Was damals geschah, sollte vergeben und vergessen sein. Der Gerber Thomas ist tot, und es ist an dem Sohn, dem Vater zu verzeihen und ihn gebührend zu betrauern. Frieden gibt es nur, wenn der Sohn seine Rachegelüste aufgibt. Tut er es nicht, so wird sein Betrug ruchbar werden.»
David war so weiß wie ein Leichentuch geworden. «Die Geschichten anderer Leute sind interessant, doch sie haben mit diesem Haus nichts zu tun», sagte er so energisch, dass wohl jeder andere darauf geschwiegen hätte.
Doch Eva fragte leise: «Wer war die Frankfurter Meisterin? Und wer ist der Sohn des Gerbers aus Naumburg?»
Adam beugte sich nach vorn und nahm die Hand seiner Schwester.
«Die Frankfurter Meisterin war Sibylla Schieren. Deine Mutter, Eva. Und der Sohn des Gerbers Thomas Wolf heißt David. Dein Mann, Eva.»
Kapitel 19
Es musste mitten in der Nacht sein. Etwas hatte Eva aufgeweckt. Sie lauschte, doch kein Laut war zu hören. Auf den Straßen war Ruhe eingekehrt. Nur von weitem drang das trunkene Lied eines Narren an ihre Ohren.
Eva fasste neben sich, doch Davids Bett war leer. Adam war bald nach dem Ende seiner Enthüllung gegangen. David hatte ihn zur Tür begleitet, und Eva hatte gehört, was die beiden miteinander besprochen hatten:
«Ich werde jetzt zu Mattstedt gehen», hatte Adam gesagt. «Falls mir etwas zustößt, so wird es noch einen geben, der von dir mehr weiß, als du zugeben willst.»
David hatte mit einem Lächeln in der Stimme erwidert:
«Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.»
Kurz danach hatte auch er das Haus verlassen, ohne zu sagen, wo er hinging.
Plötzlich hörte Eva unterdrückte Stimmen, die heftig miteinander stritten. Sie kamen nicht von der Straße, sondern aus dem Haus. Eva warf sich ein Gewand über und schlüpfte leise aus der Schlafkammer.
Als sie sich über das Geländer nach unten beugte, sah sie im Hausflur einen Mann, der David an den Schultern gepackt hielt und heftig schüttelte: «Ihr wolltet Euch an Sibylla Schieren rächen, wolltet ihren Platz einnehmen, sie vernichten. Nun, es ist Euch gelungen, ihr Geld zu holen und ihre Tochter gefügig zu machen. Beinahe hättet Ihr es geschafft, sie zu zerstören. Doch ich werde verhindern, dass Euch das gelingt. Ich werde dafür sorgen, dass sie unversehrt aus Euren Fängen zurückkehrt und den Platz einnimmt, der ihr zusteht, an den sie gehört. Vor das Halsgericht bringe ich Euch. Hängen werdet Ihr. Wie der gewöhnliche Tagedieb, der Ihr in Wirklichkeit seid.»
Die Stimme kam Eva bekannt vor, doch war sie von Wut verzerrt. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, sah sie, wie David sich losriss. Plötzlich hatte er einen Schürhaken in der Hand und prügelte damit auf den Mann ein. Der Mann schrie auf, bedeckte die Platzwunde auf der Stirn mit seinen Armen, versuchte vergeblich, den Kopf zu schützen, doch David war wie von Sinnen. Immer wieder ließ er den Schürhaken niederkrachen, hörte auch nicht auf, als der Mann in die Knie ging. Im Gegenteil. Er nahm den Schürhaken in beide Hände, hob ihn hoch über den Kopf und schlug ihn
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