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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Reisenden saßen in einem Schankraum und erholten sich bei mit Wermut gewürztem Bier und Braten von der Fahrt auf den unbefestigten Wegen, die ihre Glieder gehörig durcheinander geschaukelt hatte. Waren alle satt und zufrieden, verschwanden Eva und Susanne in einer der Kammern zur Nachtruhe, die anderen aber rückten die Tische und Bänke in der Schankstube zusammen und bereiteten sich auf dem Boden ein Nachtlager.
    So verging die Reise, bis sie nach einer Woche endlich die Stadt Erfurt erreichten. Die rotbackige Krämerin verabschiedete sich und ging ihrer Wege. Die anderen schlugen ihr Nachtlager diesmal in der Herberge «Zum goldenen Stern» auf.
    Susanne, Heinrich und Eva saßen an einem Tisch im Schankraum der Herberge und aßen einen herrlichen Eintopf aus Bohnen und Hammelfleisch, als Eva bemerkte, dass jemand sie anstarrte.
    Sie drehte den Kopf und blickte direkt in die grauen Augen eines jungen Mannes mit halblangem dunklem Haar, der von außergewöhnlicher Schönheit war. Stolz wie ein Edelmann sah er aus, wie die Statue eines griechischen Gottes gar, die Eva in Florenz gesehen hatte. Sein Blick war so intensiv, dass Eva meinte, er könne in ihren Kopf hineinschauen und alle Gedanken lesen. Ein wenig erschrocken, aber auch geschmeichelt wandte sie sich ab. Sie wollte weiteressen, als sei nichts geschehen, doch es gelang ihr nicht. Die Bewegungen, mit denen sie den Löffel zum Mund führte, waren seltsam gespreizt. Als Heinrich eine Bemerkung über das Wetter machte, lachte sie übertrieben und warf das Haar über die Schulter auf den Rücken. Wie von selbst drehte sich ihr Kopf immer wieder dem Fremden zu. Er hatte einen Bogen Papier vor sich auf dem Tisch liegen und ein Stück Kohle in der Hand. Als sich ihre Blicke erneut trafen, lächelte er, stand auf und trat an ihren Tisch.
    «Verzeiht», wandte er sich an Heinrich. «Ich bin ein wandernder Geselle und habe Unterhaltung nötig. Gestattet Ihr, dass ich mich zu Euch setze?»
    Heinrich sah hoch, nickte und wies mit der Hand auf den Platz neben sich. Dann bestellte er einen neuen Krug Würzbier.
    Der Fremdling saß Eva nun genau gegenüber, und seine grauen Augen, die die Farbe von unpoliertem Silber hatten, verfolgten jede ihrer Bewegungen.
    Eva schluckte, schlug die Augen nieder und war nicht mehr in der Lage, weiterzuessen. Sie schob die Schüssel mit einem heftigen Ruck in die Mitte des Tisches. So heftig, dass sie umkippte, die Suppe sich über den Tisch ergoss und ihren Ärmel braun färbte.
    Der Fremdling reagierte sofort und wischte behutsam über die Flecke auf ihrem Kleid.
    «Danke», sagte Eva.
    «Oh, gern geschehen. Euer Kleid ist hübsch. Aber es passt nicht zur Farbe toten Hammels. Zu diesem Kleid gehört ein Schmuck aus Silber.»
    Er lachte laut. Eva lächelte verlegen, wusste nichts zu sagen. Schließlich dachte sie an den Papierbogen.
    «Zeichnet Ihr?», fragte sie ein wenig töricht.
    «Ja, hin und wieder», erwiderte er. «Ich verdiene mir mit Porträts ein warmes Essen und ein Nachtlager in den Herbergen.»
    Als Susanne das hörte, beugte sie sich vor und fragte: «Würdet Ihr mich auch zeichnen?»
    Der Fremdling blickte Susanne kurz an und entgegnete: «Was wäre Euch ein Bildnis wert?»
    Susanne kicherte und verdrehte die Augen. Sie zupfte sich eine Haarsträhne unter der Haube hervor und wickelte sie um den Finger. Schließlich erwiderte sie mit einem Lachen, das Eva peinlich war: «Ihr habt die Frage falsch gestellt, Fremdling. Es hätte heißen müssen: ‹Ihr seid es wert, für die Ewigkeit gezeichnet zu werden. Darf ich es wagen?›
    «Für die Ewigkeit gezeichnet zu werden», wiederholte der Fremdling nachdenklich und betrachtete Susanne so eindringlich, dass sie schließlich den Blick abwandte.
    «Merkt ihn Euch gut, diesen Wunsch. Ich bin sicher, eines Tages werdet Ihr für die Ewigkeit gezeichnet werden.»
    Susanne zuckte zurück. Etwas Bezwingendes war in der Stimme des Mannes. Sie wagte keine Erwiderung.
    Der Fremdling sah Eva an. «Ich habe Euch gezeichnet», sprach er. «Aber ich habe kein Abbild gefertigt, sondern das gezeichnet, was ich in Euch erkenne. Wollt Ihr es sehen?»
    Eva schüttelte den Kopf, dann nickte sie und schlug die Augen nieder, kratzte verlegen mit dem Fingernagel an dem trocknenden Suppenfleck herum.
    Der Fremdling holte das zusammengerollte Blatt und überreichte es Eva.
    «Habt keine Scheu. Seht es Euch an. Es gereicht Euch nicht zum Schaden», flüsterte er, und wieder war es ihr, als könne er

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