Die Silberschmiedin (2. Teil)
Tier steckt, weiß ich. Aber wie steht es mit Euch?»
Susanne fletschte die Zähne, krümmte ihre Finger zu Krallen und fauchte gefährlich. «Reicht Euch das, Fremder?»
«Oh, Ihr seht Euch als wilde Katze? Darauf wäre ich nicht gekommen. Ich hätte Euch eher für ein Schaf gehalten, das nur im Schutze seiner Herde blökt.»
Heinrich verzog belustigt den Mund, und auch Eva konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sie dachte daran, wie er Pico della Mirandola zitiert hatte.
«Wir haben noch Platz», beschloss sie. «Der Kutscher soll anhalten, damit er mit uns fahren kann.»
«Warum denn das?», Susanne war nicht einverstanden. «Er wird uns beleidigen, so wie er das schon die ganze Zeit tut. Ich möchte ihn nicht hier drinnen haben. Außerdem ist er ganz dreckig. An seinen Lederstiefeln hängt der Schlamm fingerdick, sein Umhang ist vollkommen durchnässt. Er wird uns hier drinnen alles verschmutzen.»
Eva ließ sich von Susanne nicht beirren. «Es ist unsere Christenpflicht, anderen zu helfen», sagte sie mit Nachdruck.
Die Kutsche hielt an. Der Fremdling klopfte sich den Schmutz von den Stiefeln, nahm seinen nassen Umhang und rollte ihn zusammen, dann schüttelte er die Nässe aus den Haaren und stieg ein. Er setzte sich neben Heinrich, genau Eva gegenüber.
«David Wolf heiße ich, bin ein Silberschmiedegeselle auf Wanderschaft», stellte er sich vor.
Susanne ergriff sofort das Wort. «Ein Silberschmied seid Ihr? Kommt Ihr aus Frankfurt? Habt Ihr dort Station gemacht?»
David schüttelte den Kopf. «Aus der Nürnberger Richtung komme ich. Warum fragt Ihr?»
«Nun», erwiderte Susanne, «in Frankfurt ist vor ein paar Wochen ein junges Mädchen ans Mainufer gespült worden. Sie war nackt und trug eine Maske von Silber. Habt Ihr auch davon gehört?»
Der Fremdling schüttelte den Kopf. «Nein!»
«Und interessiert Euch nicht, was geschehen ist?» Susanne ließ nicht locker.
«Es gibt jeden Tag Tote. Ich interessiere mich mehr für die Lebenden.»
«Aber Ihr seid ein Silberschmied. Gut möglich, dass es einer von Eurem Gewerke war. Könnt Ihr Euch nicht denken, warum er das getan hat?»
David zuckte die Achseln und sah zu Eva: «Vielleicht hat das Mädchen ihm gefallen? Manche Frauen sind von einer solch seltenen Schönheit, dass man diese bannen sollte, bevor sie vergeht.»
«Hätte es da nicht gereicht, sie zu malen? So, wie Ihr es tut?», fragte Susanne. «Auch, wenn am Ende etwas Verkehrtes dabei herauskommt.»
David schüttelte den Kopf: «Nein. Durch eine Zeichnung wird die Schönheit festgehalten, aber nicht gebannt. Wie schrecklich es doch ist, zusehen zu müssen, wie aus einer reinen und keuschen Schönheit ein unförmiger Leib und ein teigiges Gesicht wird. Meine Seele beginnt zu zittern, wenn ich daran denke, was einst aus dieser schönen Eva hier werden wird.»
Er sah sie ohne das geringste Lächeln an. Eva stockte der Atem. Schon wieder fühlte sie sich entblößt. Wie gern hätte sie etwas Kluges, Schlagfertiges gesagt, um den Fremdling in die Schranken zu weisen, doch ihr Kopf war leer wie ein Brunnen nach einem trockenen Sommer. Verlegen sah sie nach draußen.
Der Nebel hatte sich plötzlich gelichtet. Die Wiesen lagen im satten Grün, die Wege waren etwas weniger verschlammt.
«Seht», sagte Heinrich und wies aus dem Fenster. «Der Himmel ist klar. Ich schlage vor, junger Freund, dass Ihr uns nun wieder verlasst.»
David nickte. «Ihr meint, ich sei nicht die beste Gesellschaft für zwei junge Damen von Stand?»
Sein Mund lächelte bei diesen Worten, doch Eva bemerkte, dass seine Augen einen harten Ausdruck angenommen hatten.
«Ich verstehe nicht viel von der Gesellschaft, die junge Damen brauchen», erwiderte Heinrich. «Ich verstehe nur etwas von Achtung und Ehrerbietung. Und daran mangelt es Euch. Deshalb bitte ich Euch nun, unsere Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch zu nehmen.»
Der Kutscher hielt, und David nahm seinen Umhang und sein Bündel. «Die Wahrheit tut weh, nicht wahr, alter Mann?», fragte er zum Abschied, dann sprang er aus dem Wagen und verschwand zwischen den Bäumen am Wegesrand.
Kapitel 3
Leipzig, Winter 1494/95
«Am Montag nach dem Tag des heiligen Moritz hat der Rat der Stadt Leipzig den Gold- und Silberschmieden Artikel und Innung bestätigt. Seht, Eva, es steht noch am Rathaus angeschlagen.»
Andreas Mattstedt wies mit der Hand auf die mächtige, mit Eisen beschlagene Tür, zu der einige Stufen führten.
Eva trat einen Schritt
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