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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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näher und las selbst, was dort stand: «Auf Befehl Herzog Albrechts wird verfügt, dass die Chemisten oder Goldmacher als durch welche dem gemeinen Wesen großer Schaden zugefügt wird, nicht allein aus der Stadt Leipzig sollen verwiesen werden, sondern auch nach Befindung der Sachen abgestraft werden.»
    Eva lachte: «So ist die Welt. Zuerst kommen die Strafen, dann die Pflichten und am Schluss die Rechte.»
    Auch Andreas Mattstedt lächelte. «In dieser Hinsicht stehen die Leipziger den Frankfurtern in nichts nach. Und der Rest wird auch noch kommen. Noch ist Leipzig zwar Hinterland mit noch nicht einmal 8000 Steuerzahlern, von denen allein 400 Scholaren und Magister der Universität sind. Aber durch die im Erzgebirge entdeckten Silber- und Erzvorkommen wird sich die Stadt bald zu einem begehrten Handelsplatz mausern.»
    Er wandte sich um und wies mit der Hand über den Marktplatz. «Schaut Euch um, Eva. Händler aus aller Herren Länder kommen schon jetzt zu uns. Vor ein paar Jahren noch wurde hier ab und zu eine Kuh angeboten. Jetzt werden die Rinder herdenweise aus dem Polnischen herangetrieben und für drei Rheinische Gulden das Stück verkauft. Wohin man auch sieht: Fremde, Fremde, nichts als Fremde.»
    Eva nickte und betrachtete das emsige Treiben auf dem Markt. Ein Stadtschreiber mit Steuerlisten unter dem Arm eilte von einem Ende des Platzes zum anderen, ein Hauptmann wies gerade seine Büttel zurecht und hieß sie lautstark ihre Hakenbüchsen säubern. Obwohl kein Markttag war und auch die Messe längst vorüber, wimmelte es auf dem großen gepflasterten Platz von Menschen. Inmitten der Menge versuchte ein Wanderprediger die Aufmerksamkeit der Masse auf den drohenden Weltuntergang zum Beginn des neuen Jahrhunderts zu lenken. Doch die meisten Menschen versammelten sich um den Lehrbuben eines Druckers, der immer wieder «Christoph Kolumbus hat die Neue Welt entdeckt. Christoph Kolumbus hat die Neue Welt entdeckt» rief und Flugblätter an alle verteilte.
    Eva genoss die angeregte Atmosphäre. Man konnte förmlich spüren, dass eine Neue Zeit anbrach. Und sie würde Teil davon sein.
    Ihr Blick glitt über die Häuser der Patrizier, die den Markt umsäumten. Die meisten zogen sich über mehrere Geschosse, einige zählten sogar fünf Stockwerke. Die Fassaden waren hoch gemauert, hatten gestufte Giebel mit reichem Zierrat und Ornamenten. Bleiglasfenster fingen die Strahlen der Sonne auf und warfen sie zurück über den Platz. Die Häuser waren durch Säulen und Bogenhallen miteinander verbunden, die sie an die Arkaden in Florenz erinnerten. Darin hatten die reichen Gewerke, die Drucker und Edelsteinschleifer, die Metallwarenhändler, Kupferstecher, die Perlensticker, Gewandschneider, die Tuchhändler und begüterten Kaufleute ihr Auskommen. Das Rathaus mit dem Spitzdach und der großen Uhr schien dem Glanz der Stadt nicht mehr angemessen zu sein, sodass die Ratsherren schon mehr als einmal darüber gesprochen hatten, ein neues bauen zu lassen. Noch aber fehlte es an Geld dafür, auch wenn die Stadt vor Neuankömmlingen überquoll.
    Ein glückliches und stolzes Lächeln überzog Evas Gesicht, als ihr Blick in Richtung Hainstraße schweifte, in der ihr Wohnhaus lag. Auch dieses hatte vier Stockwerke, einen reich verzierten Giebel und vor der Tafelstube sogar einen Balkon. Ein großes gemauertes Hinterhaus sollte schon in wenigen Tagen die Silberschmiedewerkstatt und die Lager beherbergen; die Verkaufsräume jedoch würden unter den Arkaden ihren Platz finden.
    «Ach, mir gefällt diese Stadt», brach es aus Eva heraus, dann drehte sie sich mit einem strahlenden Lächeln zu Andreas Mattstedt um.
    Der 38-jährige Kaufmann reichte ihr den Arm: «Kommt, Eva, ich habe uns für den Nachmittag beim Feinschmied Nietzsch angemeldet. Er wird die Werkzeuge fertiggestellt haben, die wir für unsere Werkstatt brauchen.»
    «Unsere Werkstatt!» Eva kostete das Wort, als wäre es Nektar. Jeden Tag freute sie sich neu an dem Gedanken, von nun an gemeinsam mit Andreas Mattstedt eine Silberschmiedewerkstatt in Leipzig zu besitzen.
    Sie ergriff Mattstedts Arm und ließ sich von ihm über den Markt führen. Die Leipziger blieben stehen, die Männer lüfteten die Barette, die Frauen knicksten und warfen Mattstedt bewundernde Blicke zu.
    Er war wirklich ein stattlicher Mann. Mit seinen 38 Jahren zählte er zu den reichsten Männern der Stadt. Die Steuerlisten hatten im letzten Jahr 12   000 Gulden vermerkt. Reicher waren nur noch

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