Die Silberschmiedin (2. Teil)
Knecht oder Geselle nennt.»
Eva zuckte mit den Achseln. «Ihr seht nicht so aus, als würdet Ihr Euch vor Angeboten nicht retten können. Habt Ihr überhaupt Stücke, die Ihr gearbeitet habt?»
David sah sie an. «Glaubt Ihr, ich wäre ein Lügner?»
«Wer weiß? Schon so mancher hat Dinge behauptet, die er hinterher nicht einhalten konnte.»
Davids Augen bekamen einen harten Ausdruck. Er griff in ein abgewetztes Bündel und holte daraus ein Holzkästchen hervor, das innen ganz mit Samt ausgeschlagen war. «Da, bitte. Seht selbst, ob Ihr mich Lügner heißen dürft.»
Eva nahm das Kästchen und betrachtete den Ring darin. Es handelte sich um eine Schmiedearbeit von höchster Qualität. Der Bernstein in der Mitte war sauber geschnitten und poliert, die Einfassung von zierlich gearbeitetem Blattwerk umgeben. Doch nicht nur die handwerkliche Ausführung war ohne Fehl und Tadel; der Ring strahlte etwas Weiches und Warmes aus. Das ganze Schmuckstück wirkte lebendig, verlockend und hatte genau das, was den Waren aus Evas Werkstatt fehlte.
«Ein wundervoller Ring», sagte sie mit wahrer Begeisterung. «Sünde ist es, dass Ihr mit der Zeichenkohle hantiert anstatt mit dem Punzeisen.»
«Ja, da mögt Ihr wohl Recht haben.»
«Ich biete Euch noch einmal die Stelle des Gesellen an. Wenn Ihr erneut ablehnt, gut, so sei es denn.»
«Wer sagt denn, dass ich ablehne?», fragte David und erhob sich. Er überragte Eva um einen ganzen Kopf. Sie musste zu ihm aufblicken.
«Ich sagte, ich möchte niemandes Knecht sein.»
«Und was heißt das, David?»
«Nun, ich bin ein guter Silberschmied, der seinen Wert sehr wohl kennt.»
«Was das heißt, will ich wissen», beharrte Eva. David sah sie lächelnd an und ließ sich Zeit. So lange, bis Eva unruhig von einem Fuß auf den anderen trat und sich fragte, warum sie trotz dieser offensichtlichen Ungehörigkeit noch blieb.
Endlich antwortete er: «Einen eigenen Arbeitsplatz verlange ich. Und eigene Aufträge. Eigene Kunden. Kein Meister soll mir Anweisungen erteilen. Ich möchte gleichberechtigt arbeiten, denn ich kann so viel wie jeder Meister hier in der Stadt.»
Eva sah ihn entgeistert an: «Eigene Kunden, eigene Aufträge, einen eigenen Arbeitsplatz. Ihr verlangt viel, David. Seid Ihr es auch wert?»
«Was ich wert bin, werdet Ihr bald erfahren.»
Eva überlegte. Was David forderte, war schlichtweg unverschämt. Doch es herrschte Mangel an Gesellen. Die Silbervorkommen im Erzgebirge und der damit verbundene Reichtum vieler Leipziger hatten den Bedarf an gut gearbeiteten Edelmetallwaren so stark ansteigen lassen, dass die Werkstätten mit den Aufträgen nicht hinterherkamen. Es gab einfach zu wenige Gold- und Silberschmiede in dieser Stadt. Nur deshalb hatte Eva auch die Erlaubnis der Zunft erhalten, als Fremde eine eigene Werkstatt zu eröffnen. David war gut. Sehr gut sogar. Und er schien genau das zu haben, was Eva fehlte.
«Was verlangt Ihr als Lohn?», fragte sie.
«Was bin ich Euch wert?», gab er zurück.
«Wie soll ich das wissen? Ich habe nur den einen Ring gesehen. Woher soll ich wissen, wie Ihr Pokale und anderes arbeitet?»
David lächelte, bückte sich und holte einen kunstvoll gearbeiteten Becher aus seinem Bündel. Diesmal war nicht das fein ausgeführte Handwerk das Besondere daran, sondern das Neue, die Einlagen aus Emaille.
«Diese Arbeitstechnik ist in Italien zu Hause», sagte Eva verwundert. «Habt Ihr dort gelernt?»
«Ich habe überall gelernt, wo es etwas zu lernen gab. Und ich bin noch lange nicht fertig.»
«Also, wie viel wollt Ihr als Gesellenlohn?»
«Eure Magd bekommt sechs Groschen. Die Haushälterin, die wohl auch Schwester sein möchte, erhält zwölf Groschen. Ich bin mit dreißig zufrieden.»
«Ihr seid verrückt!» Eva lachte hellauf. Dann stutzte sie. Woher wusste er, was Bärbe und Susanne als Lohn bekamen?
«Ihr seid verrückt!», wiederholte sie.
David schüttelte den Kopf. «Ihr wollt nicht nur die Arbeit meiner Hände. Ihr wollt überdies meine Ideen und Gedanken. Nun, das hat seinen Preis.»
Er sah ihr direkt in die Augen. Eva hielt seinem Blick stand.
«Gut», sagte sie schließlich. «So soll es sein. Vier Wochen zur Probe. Genügt Ihr den Ansprüchen der Werkstatt, so sollt Ihr bleiben.»
«Warum sprecht Ihr von den Ansprüchen der Werkstatt, wenn Ihr doch die Euren meint?», fragte David, aber er packte sein Bündel und folgte Eva.
In der Hainstraße angekommen, wies sie ihm eine Kammer im oberen Stockwerk des
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