Die Silberschmiedin (2. Teil)
gleichgültig, ob sie das Lesen und Schreiben beherrscht oder nicht. Ihre Klugheit besteht im Umgang mit Höheren. Sie versteht es, sich einzuschmeicheln», war Hildegards Urteil gewesen.
«Ja, in der Werkstatt ist es das Gleiche», hatte Eva zugestimmt. «Priska zeigt Eifer und Regina ihre Vorzüge. Selbst Heinrich hat dies schon bemerkt.»
Auch Ute ging es ähnlich mit den beiden. «Warum soll ich Tänze erlernen?», hatte Priska schüchtern gefragt. «Meine Füße taugen nicht dazu.» Regina aber konnte vom Tanz nicht genug bekommen. Der Tanz und der Putz, das war ihre Lust. Doch auch an der Hauswirtschaft zeigte sie Interesse, während Priska die Brote zwar zu kunstvollen Laiben formte, aber häufig die Hefe vergaß.
Adam hatte ebenfalls Unterschiede entdeckt. «Sie sind nicht gleich, ganz und gar nicht. Reginas Leib ist viel weicher als Priskas. Ihre Brüste wachsen schneller, die Behaarung setzt früher ein. Sie schwitzt auch stärker als Priska. Sogar ihre Gedanken sind verschieden. Während Regina schon das Weib in sich erkannt hat, ist Priska noch immer ein Kind.»
«Du solltest die Mädchen nicht mehr nackt betrachten. Sie werden älter und haben Scham dabei.»
Adam hatte gelacht: «Bei Priska hast du Recht. Aber Regina zeigt keinerlei Verlegenheit.»
Er hatte Eva eindringlich angesehen, dann gesagt: «Ich muss sie weiter beobachten. Wenn es möglich ist, solange sie leben. Doch wenn du glaubst, dass ich Unrecht tue, dann lade ich dich ein, dabei zu sein, wenn die Zwillinge zu mir ins Laboratorium kommen.»
An diesem Morgen bemerkte Eva an den beiden einen weiteren Unterschied. Priska hatte von ihrem Kleid alle Bordüren gelöst und trug weder eine Spange noch einen Gürtel. Nun ähnelte ihr Kleid Evas Gewand. Regina aber hatte sich genommen, was sie greifen konnte, und ihr Kleid mit den zusätzlichen Bordüren geschmückt und trug sogar zwei Gürtel übereinander. Die langen Haare wallten über Rücken und Schultern.
Eva war erstaunt, dass sie wütend wurde, doch sie konnte nicht an sich halten. Mit schnellen Schritten ging sie zu Regina: «Die Werkstatt ist kein Jahrmarkt. Binde dir eine Lederschürze über das Kleid und gieße etwas Blei. Zuvor aber lass dir von Bärbe eine Haube geben. Dein Haar stört beim Arbeiten.»
Regina sah sie mit großen Augen an: «Etwas Neues möchte ich lernen. Der Meister hat versprochen, mir zu zeigen, wie man eine Haarspange fertigt. Wenn ich geschickt bin, dann darf ich mir selbst eine aus Messing fertigen, hat er gesagt.»
«Stimmt das?», fragte Eva. David nickte, sah aber nicht von seiner Arbeit hoch. Mit dem Punzeisen zog er gerade feine Linien auf eine Brosche.
«Geh jetzt und kleide dich für die Arbeit», befahl Eva, und das Mädchen gehorchte.
«Und was ist mit Priska?», fragte die Meisterin, als Regina verschwunden war.
«Nun, jeder sucht sich seinen Platz selbst. Hast du das noch immer nicht verstanden, Eva?»
Heinrich, der am Schmelzofen beschäftigt war, sah auf. Sein Mund war schmal, doch er blieb stumm, seufzte nur und strich Priska, die ihm die Scheite reichte, über den Kopf.
Eva kam sich in der eigenen Werkstatt überflüssig vor.
«Warum siehst du mich nicht an, wenn du mit mir sprichst?», fragte sie.
David ließ das Punzeisen sinken und sah hoch. «Werden meine Worte wahrer, wenn ich sie dir ins Gesicht sage?», war seine Antwort. Doch dann erschien wieder dieses seltsame Lächeln auf seinem Gesicht. Er fasste nach Evas Hand, strich zart darüber und betrachtete sie, als hätte er sie noch nie gesehen. Als Nächstes holte er den Messzirkel und maß die Länge von Evas Zeigefinger.
«Was soll das?», fragte Eva und wollte ihm die Hand entziehen, doch er hielt sie mit eisernem Griff fest.
«Was dein Bruder kann, kann ich nicht schlechter», sagte er. Er stand auf, schob Evas Ärmel bis zum Ellbogen hoch und hielt wieder den Messzirkel an.
«Ich möchte wissen, was das soll», wiederholte Eva.
«Kannst du es dir nicht denken?», fragte David. «Eine Kelle soll ich aus Silber fertigen. Eine große Gabel dazu, um die zarten Bratenstücke von der Platte zu spießen. Nun, dein Arm und deine Hand haben mich auf eine Idee gebracht.»
Er sah sich nach Priska um und winkte sie mit dem Finger zu sich. Das Mädchen gehorchte.
«Rühre Ton an. Ich möchte einen Abdruck nehmen», sagte er. Priska nickte und ging in den Lagerraum. Die anderen schauten stumm auf ihre Arbeit und taten, als hätten sie nichts gehört.
Ohne es zu wollen, begann
Weitere Kostenlose Bücher