Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Werning
Vom Netzwerk:
Feuchtigkeit. Etwas raschelte.
    »Ja«, sagte er, und seine Stimme klang rauh. »Ich bin wieder da. Aber nur für einige Minuten. Mehr Zeit habe ich nicht.«
    Mit feuchten Augen betrachtete er die Teufelsorchidee, deren Zweige und Blätter beinahe den ganzen Raum ausfüllten. Sie wandten sich ihm entgegen, und die hauchdünnen Hohlspitzen an den Blätterenden zitterten sanft.
    Rasch legte Karamanash Ohtani Hose und Hemd ab. In der schwülwarmen Luft begann er zu schwitzen.
    »Nur einige Minuten, hast du gehört?« Der Symbiontenhybride an seiner Hüfte begann sich zu verfärben. Er mochte diese Traumsitzungen nicht, aber er war gezwungen, sie mitzuerleben.
    Bin ich abgeschirmt? fragten seine Intensivgedanken.
    Ja, Hoher Herr, antwortete die Mentalstimme seines Gebundenen Propheten. Niemand kann Sie wahrnehmen.
    Gut so.
    Er ließ sich in den Ruhesessel direkt unter dem weitverzweigten Blätterwerk der Teufelsorchidee sinken. Die Blätter raschelten stärker, und erste Hohlspitzen begannen sich langsam in seine Poren zu bohren. Die Berührung war nicht schmerzhaft. Karamanash keuchte. Er konnte es kaum noch erwarten. Zu lange hatte er die herrlichen, wunderbaren Träume der Orchidee entbehrt. Erste Entzugserscheinungen hatten sich bereits vor Tagen eingestellt. Diesen Raum in der Zentralfeste des Ohtaniclans kannte niemand. Magische Bannschwellen, die nur ihn als befugt akzeptierten, machten ihn für seine Frauen und Söhne und Töchter unsichtbar. Niemand wußte, daß der Patriarch der Ohtanifamilie suchtabhängig von einer leseitisfremden Teufelsorchidee war. Nur sein Gebundener Prophet. Und der mußte schweigen.
    Ich habe lange auf dich gewartet, sagte die Zellkomplexstimme der Orchidee in seinen Gedanken. Die Mönche der Asketischen Kirche, die ihm dieses teure Gewächs zur Verfügung gestellt hatten, hatten der Stimme eine feminine Färbung gegeben.
    Ich weiß. Bedauernd. Entschuldigend. Jetzt bin ich da. Aber ich habe nicht viel Zeit.
    Wie schade. Traumbilder: an seinen geistigen Augen vorbeihuschend, voller Ekstase und Euphorie. Was wünschst du dir?
    Ruhe, antwortete seine Gedankenstimme. Ein wenig Ruhe und Freude. Ich habe soviel zu tun in diesen Tagen. Alles strebt einem Höhepunkt entgegen.
    Ich weiß. Es geht um Tajima Nimrod, nicht wahr?
    Du weißt es?
    Ich kann in deine Gedanken blicken. Ein gefährliches Vorhaben.
    Ja. Aber wenn es gelingt, wird die Ohtanifamilie nie wieder Krieg führen müssen. Wenn es gelingt, werden sich alle unsere Probleme lösen. Und wenn es gelingt, wird auch die Asketische Kirche nicht mehr das sein, was sie bisher gewesen ist.
    Andere Bilder, die in seine Gedanken sickerten und Ruhe und Ausgeglichenheit und Freude vermittelten. Es war herrlich. Es war unbeschreiblich.
    Dann ein Diskant …
    Hoher Herr?
    Karamanash Ohtani brauchte eine Weile, bis er begriff, wer ihn störte. Sein Gebundener Prophet.
    Nicht jetzt. Ich …
    Es ist wichtig, Hoher Herr. Tajima Nimrod … Die Verbindung ist stabil.
    Bedauern. Frustration. Gut, ich komme. Und, nach einer kurzen Pause: Hast du gehört, meine Freundin? Ich muß dich verlassen.
    Wirst du bald wiederkommen?
    Ich verspreche es dir.
    Die Hohlspitzen lösten sich wieder aus seinen Poren, und die Traumbilder tief in seinem Innern verblaßten. Zurück blieb ein angenehmes Entspannungsgefühl. Der Patriarch kleidete sich an und blickte dann in den Schwingkristallspiegel. Sein Gesicht war ein wenig blaß, was auf den geringen Blutverlust zurückzuführen war, den der Kontakt zur Teufelsorchidee mit sich brachte. Er schickte der Orchidee einen letzten Mentalgruß zu und verließ dann den Raum. Gewohnheitsmäßig vergewisserte er sich, daß die Magischen Schwellen stark genug waren. Als er sie überschritt, löste sich die schwere Holzbohlentür scheinbar auf und verwandelte sich in eine massive Wand aus gemeißeltem Fels. Er nickte zufrieden und eilte dann den inneren Bereichen der Zentralfeste entgegen.
    Beeilen Sie sich bitte, Hoher Herr, rief die Gedankenstimme des Gebundenen Propheten. Es gibt Komplikationen.
    In den breiten Wandelgängen begegnete er zwei seiner Frauen. Sie lächelten ihm entgegen und blieben stehen. Er eilte wortlos an ihnen vorbei. Die Wendeltreppen hinab, die in die Tiefengewölbe der Feste führten. Auf einem der Absätze erwartete ihn sein Prophet.
    »Welche Komplikationen?«
    »Organische Fehlfunktionen des Spürers«, sagte der Prophet und bemühte sich, mit dem Patriarchen Schritt zu halten. Feuchte Granitwände

Weitere Kostenlose Bücher