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Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Werning
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einer der vermeintlichen Toten unverletzt und lebendig war. Sie würden ihn festsetzen und die Ursache seines Neulebens untersuchen. Es konnte ihnen nicht entgehen, daß seine Fähigkeit zur Selbstheilung stark ausgeprägt war. Und in seinem Gedächtnis war das Wissen um die Ausbildung und die Außenweltlerin verankert. Er kannte die Möglichkeiten der Asketischen Kirche nicht, aber er war sich sicher, daß er sein Wissen vor den Mönchen nicht verbergen konnte. Sie würden seine Mentalabhängigkeit wiederherstellen und ihn danach in die Hände des Ohtaniclans zurückführen.
    Der Aufräumer war nur noch wenige Meter entfernt.
    Tajima Nimrod sprang.
    Das angeschwollene linke Bein war wie ein tonnenschwerer Brocken, der alle seine Bewegungen behinderte. Er prallte gegen den Fleischberg, aber nicht dort, wo es notwendig war. Er verfehlte die Nervenpunkte. Er krallte sich fest, und der Aufräumer stieß ein nervöses Zischen aus.
    Einer der sieben Monde von Leseitis stieg über den Horizont und warf lange Schatten über das Streitland. Schneller. Bald mußten auch die anderen Monde aufgehen, und dann war es so hell, daß ihn die Mönche ohne Schwierigkeiten ausmachen konnten.
    Tajima ließ sich fallen und schlug mit der rechten Hand zu. Der Aufräumer zischte ein weiteres Mal und sackte dann in sich zusammen. Nichts mehr. Nur noch Stille. Tajima hielt einen Augenblick inne und lauschte. Keine Alarmrufe. Kein Wagen der Kirche, der sich näherte, um den seltsamen Zwischenfall zu untersuchen. Nur Schweigen. Und die Flüsterstimme des Windes. Tajima bewegte sich wieder, duckte sich in die Schatten der Ebene und arbeitete sich dem Rand des Streitlands entgegen, dorthin, wo die Hügel begannen, die schließlich in die Berge übergingen. Dorthin, wo Rovaria Louca auf ihn wartete. Wenn sie das Streitland überhaupt erreicht hatte. Der Brennschmerz in seinem Innern nahm zu. War das die Pein der Mentalabhängigkeit? Einmal blickte er zurück. Die Schatten der Mönche waren verschwunden. Tajima konnte nicht erkennen, wo sie sich jetzt befanden. Er verdoppelte seine Anstrengungen daraufhin, und er legte erst eine Pause ein, als er die ersten Großfelsen erreicht hatte und somit über Sichtschutz verfügte.
    Der Granit war kühl und hart, sein Körper heiß und weich. Das Schwächegefühl in ihm nahm zu. Erneut lenkte er die Stimme seines Ichs nach innen. Diesmal aber blieb der Erfolg aus. Der Schmerz ließ nicht nach, und die Schwäche löste sich nicht auf.
    »Vielleicht«, sagte er, und seine Stimme klang rauh und sonderbar fremd, »vielleicht bin ich nur wiedergeboren, um einen weiteren Tod zu sterben.«
    Zwei weitere Monde gingen auf. Ihre Lichter vereinigten sich mit dem Glanz des ersten, und in einer Schimmerumarmung glitten sie am Firmament empor. Die Felsen des Hügellandes glühten nun weiß und silbern und gelb. Eigenartige Knistergeräusche ertönten, wenn sich Granit weiter abkühlte und die Hitze des Höllenfeuers abstrahlte. Dann und wann ein scharfes Knacken: ein Felssplitter, der infolge der Wechselwirkungen von Hitze und Kälte davongeschleudert wurde.
    Tajima Nimrod erhob sich wieder und schritt zwischen den aufragenden Felsen hindurch. Sein rechter Fuß schleifte empfindungslos über Sand und kleine Steine. Das Bein schwoll weiter an, und der Stoff seiner Kampfhose spannte sich. Er blieb erneut stehen, griff nach seinem Wurfmesser und schnitt die Hose auf. Der Schmerz ließ ein wenig nach. Die Haut schimmerte rot und braun und war an einigen Stellen mit einem hellen, schimmelpilzähnlichen Flaum bedeckt. Tajima erschrak. Das war Trockene Zersetzung. Eine Krankheit, an der besonders Hybriden litten und die für Normalmenschen in den meisten Fällen harmlos war. Die Magischen Heiler der Familien legten in regelmäßigen Abständen Bannsprüche auf die Körper der Hybriden und tilgten so die Keime. Tajima war kein Magier. Und er konnte nicht zurück. Jetzt nicht mehr.
    »Rovaria?«
    Keine Antwort. Nur seine eigene Stimme, die von den stummen Felsen widerhallte.
    »Außenweltlerin?«
    Schweigen.
    Er schlurfte weiter und biß die Zähne zusammen, als der Schmerz nahezu unerträglich wurde. Rovaria konnte ihm vielleicht helfen. Er wußte nicht genau, was sie war. Aber sie vermochte wie ein Magier von Leseitis mit der Stimme des Geistes zu sprechen. Er nicht.
    Vor ihm ragte das hauchdünne, seidene Netz eines Nachtspinners auf. Tajima legte den Kopf auf die Seite und schnupperte. Der Spinner war in der Nähe. Die

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