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Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Werning
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glitten an ihnen vorbei. Fackeln brannten trüb in gußeisernen Halterungen. Tiefer. Immer tiefer. Karamanash beachtete die Magischen Schwellen überhaupt nicht, die sie überschritten. Für einen Uneingeweihten waren sie tödlich. Die Gewölbe der Zentralfeste enthielten das bestgehütete Geheimnis des Ohtaniclans. Hier wohnten alle Hoffnungen und Wünsche des Patriarchen.
    Aimin Ohtani eilte ihm entgegen.
    »Was ist schiefgegangen?« fragte Karamanash hart, ohne im Schritt innezuhalten. Durch schmale Korridore und Gänge. An den Sarkophagen verstorbener Patriarchen vorbei, an der Geschichte der Ohtanifamilie.
    »Ich weiß es nicht«, gab sein Sohn zurück. »Aber es sieht so aus, als verlöre der Spürer die Fährte Nimrods.«
    Karamanash blieb einen Augenblick stehen und starrte seinen Sohn finster an.
    »Weißt du, wieviel ich in dieses Vorhaben investiert habe? Kannst du dir auch nur entfernt vorstellen, was ein Fehlschlag bedeutet? Nein, das kannst du nicht.«
    Aimin preßte die Lippen aufeinander und schwieg. Gemeinsam betraten sie schließlich ein weitverzweigtes Tunnelsystem. Spezialhybriden bewachten diese Gewölbe. Ihre Blicke waren starr und ausdruckslos. Sie würden sich in gnadenlose Kämpfer verwandeln, sollte es einem Unbefugten wider Erwarten gelingen, die Bannschwellen zu überwinden und bis hierher vorzustoßen. Die waren von der Gemeinsamen Mentalstimme aller Ohtanipropheten nur auf diese Aufgabe programmiert worden. Schon das war eine Verletzung der Alten Regel. Das aber, was die Spezialsoldaten bewachten, war ein Kirchensakrileg.
    Karamanash Ohtani starrte auf die weiten Anlagen der Nährböden und auf den amorphen Körper des Spürers. Es war ein Fleischberg, der nur einen einzigen Zweck erfüllte: ein überdimensionales Hirn am Leben zu erhalten. Der Spürer war quasiintelligent, unempfindlich gegen Schmerz, ohne Wünsche und Begehren. Er war eine organische Maschine, weiter nichts. Das organische Material von fast hundert Soldaten war notwendig gewesen, um dieses Geschöpf zu erschaffen. Die poröse Haut wies eine gelbbraune Tönung auf. Sie starb ab.
    »Wie ist das möglich?« preßte der Patriarch hervor.
    Die beiden Propheten, die Wachstum und Organfunktion des Spürers ständig überwachten, senkten die Köpfe.
    »Wir haben nicht genug Erfahrung, Hoher Herr. Was wissen wir schon von Hybridisierungen und Genverschmelzung? Was von kontrolliertem Fleischwachstum? Die Asketische Kirche hat eine Erfahrung von vielen Jahrhunderten, wir nur wenige Jahre.«
    »Weicht nicht aus!« herrschte Karamanash sie an. »Ich will eine klare Antwort. Wo liegt der Fehler?«
    »Wir wissen es einfach nicht. Vielleicht hat das Wachstum des Spürers eine Toleranzschwelle überschritten, von deren Existenz wir nichts wußten. Vielleicht ist es eine spezielle Infektion, gegen die selbst unsere Magischen Worte machtlos sind. Wir … wir wissen es einfach nicht.«
    »Vielleicht liegt es an den Nährböden«, vermutete der Patriarch. Unruhig schritt er an den Anlagen und Beeten entlang. Die finanziellen Mittel von zwei Jahresernten steckten in diesem Vorhaben. Und jetzt, da es in sein entscheidendes Stadium trat … ein solcher Fehler?
    Die Haut des Spürers war noch dunkler geworden. Ein anderer Prophet stöhnte leise.
    »Die Verbindung wird bereits deutlich schwächer. Ich habe Schwierigkeiten, sie noch aufrechtzuerhalten. Der Spürer … stirbt … es ist nicht mehr nur eine einfache Fehlfunktion.«
    Der Patriarch erstarrte für einen Augenblick.
    »Holt die anderen Propheten!« befahl er dann. »Alle, die sich gegenwärtig in der Feste aufhalten. Vielleicht gelingt es mit der vereinten Magischen Stimme, den Auflösungsprozeß aufzuhalten und die Fährte zu stabilisieren.«
    »Hoher Herr«, sagte sein persönlicher Prophet vorsichtig. »Sie sind nicht eingeweiht.«
    »Das ist in diesem Augenblick nicht von Bedeutung.« Er starrte seinen Sohn an, der auf die dunkelnde Haut des Spürers blickte. »Steh nicht so herum!« herrschte er ihn an. Seine Nervosität nahm zu. »Hast du meinen Befehl nicht gehört? Hol die anderen Propheten. Sofort.«
    Aimin Ohtani nickte und eilte davon.
    »Wir werden ihnen später die Erinnerung an diese Gewölbe nehmen«, sagte der Patriarch. »Bereitet schon einmal alles dafür vor.«
    »Es ist schwierig, Hoher Herr. Schließlich sind sie ebenfalls der Gedankenstimme mächtig.«
    »Ich will nichts davon hören.« Er trat näher an den Spürer heran. »Er darf nicht sterben …«
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