Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Werning
Vom Netzwerk:
verleihen.«
    Karamanash hob die Augenbrauen. »Das wäre eine Verletzung der Alten Regeln, Hoher Herr. Und wir Ohtanis sind dafür bekannt, daß wir diese Regeln peinlichst genau einhalten.«
    Der Novize nickte. »Das ist gut so. Denn die Kirche würde sofort die Konsequenzen daraus ziehen, Patriarch. Nichtsdestotrotz … Du verstehst sicher, daß wir allein aus Gründen der Fairneß einer solchen Beschwerde nachgehen müssen. Auch wenn wir überzeugt sind, daß sie nicht stichhaltig ist.«
    Wieder versuchte er, die Ichbarriere des Ohtanis zu durchdringen, und wieder scheiterte er. Er war vorsichtig. Der Patriarch war nicht in der Lage, diese Bemühungen zu registrieren.
    »Das verstehe ich natürlich. Und ich danke der Kirche für das Vertrauen.« Der Novize analysierte Stimme und Tonfall. Eine Spur von Unsicherheit und Nervosität? Vielleicht. Nun, es gab noch eine andere Möglichkeit, Antworten auf die Fragen zu finden, die sich die Kirche in der letzten Zeit gestellt hatte. Etwas ging vor. Etwas, das das althergebrachte Machtgefüge auf Leseitis erschüttern mochte. Jedenfalls hatten das die Extrapolationen der Kirche ergeben. Noch fehlten einige Faktoren, die notwendig waren, um zu einer exakten Erkenntnis zu gelangen. Es war die Aufgabe des Novizen, diese Faktoren zu finden.
    Zusammen mit dem Patriarchen schritt er durch die Korridore und Wandelhallen der Zentralfeste. Der Novize sprach die Weisen Worte, wenn sie Ohtanibediensteten begegneten. Gleichzeitig aber lauschte er mit seiner Mentalstimme nach einer verräterischen Präsenz. Stunden vergingen.
    »Wie du siehst, Hoher Herr, haben sich die Ohtanis keiner Verletzung der Alten Regeln schuldig gemacht«, sagte Karamanash zufrieden.
    »Ich würde auch gern die Gewölbe sehen«, entgegnete der Novize. Er analysierte die Miene des Patriarchen. Er war sich nicht ganz sicher, aber er glaubte, dort für einen Augenblick Unsicherheit und Erschrecken entdeckt zu haben. Vielleicht, dachte er, war es ein Fehler, daß er mit dieser wichtigen und schwierigen Aufgabe betraut worden war. Vielleicht hätte man besser einen erfahrenen Mönch ausgeschickt. Nun, das war jetzt nicht mehr zu ändern. Er war willens, die ihm gestellte Aufgabe nach besten Kräften zu erfüllen. So, wie es auch seine Pflicht war. Vielleicht gelang es ihm damit, eine höhere Stufe der Erkenntnis zu erreichen.
    Granitene Stufen hinab, in die Gewölbe tief im Bauch der Zentralfeste hinein.
    Etwas berührte die Gedanken des Novizen, und sofort verstärkte er seine eigene Abschirmung und warf einen unauffälligen Blick zur Seite. Die Miene des Patriarchen war nun undurchdringlich. Ihm war nichts anzumerken. Der Berührungshauch löste sich wieder auf, und es ging weiter hinab. Allein der Versuch, die Gedanken eines Vertreters der Asketischen Kirche zu analysieren, war eine Verletzung der Alten Regeln. Doch der Novize vermochte sie nicht zu beweisen, und so ließ auch er sich nichts anmerken. Er horchte. Die Präsenz der Teufelsorchidee war näher gekommen. Aber sie war auch undeutlich und nur schwer zu verstehen.
    »Nun?« Karamanash Ohtani breitete die Arme aus. »Nichts, das auf eine Verletzung der Regeln hindeutet, nicht wahr, Hoher Herr?«
    Der Novize nickte.
    »Du hast recht, Patriarch. Aber die Überprüfung war notwendig.« Einige Weise Worte, als ihnen Soldaten und Bedienstete entgegenkamen. Wieder tastete der Novize mit seiner Gedankenstimme umher. Er stieß auf eine Vielzahl von Magischen Barrieren, die seine mentalen Arme ablenkten und zur Seite gleiten ließen. Keine Verletzungen. Aber Vorsichtsmaßnahmen, die die Extrapolationen der Kirche bestätigten, wenn auch nicht erhärteten. Etwas ging vor. Und die Kirche mußte wissen, was.
    »Gut«, sagte der Novize schließlich. »Ich habe genug gesehen, und der Weg zum Kloster ist weit.«
    »Darf ich dich einladen, die Zwischennacht in meinem Haus zu verbringen?«
    Ein verlockendes Angebot. Eine Gelegenheit vielleicht, das zu finden, was er suchte. Doch gleichzeitig auch eine Gefährdung. Und die Mönche hatten ihm aufgetragen, unverzüglich zurückzukehren.
    »Ich bedaure, Ohtanipatriarch, aber das ist leider nicht möglich.«
    Ehrerbietiges Nicken. »Wie du willst, Hoher Herr.«
    Es ging die granitenen Stufen wieder empor. Dabei kamen sie der Präsenz der Teufelsorchidee näher. Der Novize versuchte, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Vor vielen Jahren war der Spezialhybride den Ohtanis als Geschenk dargebracht worden. Ein Geschenk, das mehr war als

Weitere Kostenlose Bücher