Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Werning
Vom Netzwerk:
größten Welten, die ich kenne, obgleich die Gravitation nur unwesentlich höher ist als der allgemeine Standard der von Menschen besiedelten Welten. Weißt du, daß nur zehn Prozent der nutzbaren Oberfläche dieses Planeten erschlossen sind? Nein, wahrscheinlich nicht. Ebenso wenig, daß nur zehn Millionen Menschen auf Leseitis leben. Ich habe Planeten besucht, die erheblich kleiner sind als Leseitis, und dort leben zehn Milliarden Menschen, tausendmal soviel.« An sich selbst gerichtet, fügte sie hinzu: »Vielleicht eine Folge des Nuklearkriegs, der nach dem Zusammenbruch hier stattgefunden haben muß. Nur wenige vollwertige Menschen sind zeugungsfähig. Und die Gefahren, die Leseitis für einen Unvorsichtigen bereithält, sind groß genug, um trotz Hybridisierung und Genverschmelzung die Bevölkerung auf diesem Stand zu halten.« Sie sah den Soldaten an. »Weißt du, Leseitis könnte ein Paradies sein, wenn die Kriege und die Kirche nicht wären. Und wenn die Freiheit ein Gut wäre, dessen Wert hoch genug eingeschätzt wird.«
    Sie blieb plötzlich stehen.
    »Eine weitere Quelle?« fragte Tajima vorsichtig. Sie schüttelte nur den Kopf.
    »Nein, warte, ich …«
    Plötzlich krümmte sie sich zusammen und stöhnte leise. Tajima stützte sie.
    »Sie ist wieder da, die Vibration in meinem Innern. Ich …« Sie sank auf die Knie. Ihr Gesicht war leichenblaß. Sie murmelte ein Magisches Wort, und daraufhin ging es ihr wieder besser.
    »Die Präsenz …« Sie sah Tajima an. »Ich bin mir sicher: Wir werden verfolgt. Aber es sind seltsame Geschöpfe, deren Mentalstimmen abstrakt und nur symbolhaft sind. Ich kann sie nicht verstehen.«
    »Spezialhybriden vielleicht«, vermutete Tajima. Er half der Außenweltlerin wieder auf die Beine. »Möglicherweise von den Ohtanis auf unsere Fährte angesetzt. Beeilen wir uns.«
    Sie nickte, und gemeinsam eilten sie weiter ins Wüstenland hinein. Stunden vergingen, während das Höllenfeuer seinen höchsten Punkt am Himmel erreichte und dann erneut dem Horizont entgegenzusinken begann. Als die Dämmerung anbrach, vernahmen sie ein Geräusch in der Stille der nachlassenden Hitze: ein dumpfes Rumoren, wie von einem fernen Gewitter oder den schwachen Stößen eines Erdbebens.
    »Ich kann nichts wahrnehmen«, sagte Rovaria.
    Tajima blickte sich unruhig um. Die Schatten der Dünen wurden länger. Dämmerung und Beginn der Zwischennacht krochen rasch heran.
    »Aber ich kann es hören. Etwas kommt näher …«
    Es war wie ein Wellenkamm im Ozean aus heißem Staubsand. Etwas schob sich unter der Heißoberfläche der Wüste näher an sie heran. Tajima griff nach seinem Platzkristall. Das Rumoren verstärkte sich nun, und der Wellenkamm aus aufgeschichtetem Staubsand erhöhte sich und kam dann zur Ruhe.
    Stille.
    Sand rieselte, und ein flacher, breiter Körper kroch aus dem Sandberg.
    »Ein Staubmanta«, murmelte Rovaria Louca leise. »Ich habe davon gehört …«
    »Kannst du …?«
    »Nein. Noch immer nicht. Entweder sendet der Manta keine Mentalsignale aus, oder er wird abgeschirmt.«
    Ein Buckel auf dem Rücken des Wüstengeschöpfes begann sich zu bewegen.
    »Ein Mensch«, flüsterte Tajima und hob den Platzkristall. »Es ist ein Mensch.«
    Gurte wurden gelöst, und einige Sekunden später kletterte eine in eine dunkle Schutzkutte gekleidete Gestalt vom Rücken des Mantas, der sich leise zischend in den Sand eingrub, bis nur noch seine beiden weißen Augenpaare zu erkennen waren. Die Gestalt schritt ihnen ruhig entgegen.
    »Gruß euch, einsame Wanderer«, sagte sie, und die Stimme klang dumpf unter der geschlossenen Kapuze. Die Arme kamen empor und lösten Haftverschlüsse. Einen Atemzug später blickten sie in das weise Gesicht eines uralten Mannes. Die Augen waren trüb.
    »Er ist blind«, flüsterte Tajima.
    »Mein Freund sieht für mich«, sagte der Mantareiter und deutete auf den im Sand wartenden Rochen. Er drehte sich einmal um seine eigene Achse. »Und in diesem Land gibt es ohnehin nicht viel Schönes zu erblicken.«
    »Recht hast du. Und Gruß auch an dich«, sagte die Außenweltlerin. »Du bist ein Freier Prophet, nicht wahr?«
    »So ist es.«
    »Du hast dich abgeschirmt. Du bist stark, stärker noch als ich.«
    Der Mann legte den Kopf in den Nacken. In seinen trüben Augen spiegelte sich das letzte Licht des Langtags. »Ich hatte viele Jahre Zeit, die Kraft meiner Magischen Stimme auszuschöpfen. Ich habe eure Präsenz gespürt, aus einer Entfernung von vielen Kilometern. Was

Weitere Kostenlose Bücher