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Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Werning
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Tod.
    Komm jetzt! rief Aimin in den mentalen Äther. Einige Minuten später betrat sein Gebundener Prophet die Traumkammer. Seine Zwangsignale beeinflußten die Teufelsorchidee, und die Pflanze bohrte daraufhin erneut ihre Hohldorne in die Poren des toten Patriarchen.
    »Gut so«, sagte Aimin. »Ein bedauerlicher Unfall. Mein Vater … ein Suchtabhängiger. Leider hat er zu viel geträumt, und die Überdosis an Wohlbehagen hat sein Gehirn verbrannt.«
    »Ja, mein Herr. Deine Privatsoldaten stehen bereit. Niemand wird sich dir widersetzen können.«
    Aimin nickte zufrieden. »In Ordnung. Der Ohtaniclan hat damit einen neuen Patriarchen: Aimin Ohtani. Gehen wir, Prophet. Ich will meine Ansprüche auf den Familienvorsitz geltend machen. Und ich rate allen Familienmitgliedern, sich mir nicht zu widersetzen …«
     
    Die Felswände des Gewölbes waren nackt und kalt. Der Novize erschauerte unwillkürlich, unterdrückte die unangenehme Reaktion seines Körpers aber sofort. Widerwillen erschwerte Erkenntnis. Erkenntnis aber war die Essenz des Seins. Niemals zuvor war er in dieser Kaverne gewesen. Eine Aura der Macht erfüllte sie.
    »Du spürst es, nicht wahr, Novize?« fragte der Ganzasket an seiner Seite.
    »Ja.«
    »Gut so. Erinnere dich immer an diesen Eindruck. Dies hier«, seine Arme deuteten in die Runde und zeigten auf die aus dem Boden wachsenden Blaukristalle, »ist das Herz von Leseitis. Auf dem ganzen Planeten gibt es keinen anderen Ort, der diesem hier gleichkommt. Die Kristalle … jeder einzelne ist ein Tor zu den elementaren Gewalten, die diese Welt zu dem machen, was sie ist. Die Kristalle sind Augen und Ohren derer, die sind, Novize.«
    Der Ganzasket kniete sich nieder und berührte den blauen Schimmer mit beiden Händen. Der Glanz erweiterte und intensivierte sich, hüllte schließlich auch die scharlachrote Robe ein.
    »Ich rufe eure Augen«, kam es von den Lippen des Ganzasketen. »Ich beschwöre eure Ohren.«
    Über den Kristallen begann die Luft zu flimmern. Ein Bild schälte sich aus den Schlieren: gelbweißer Sand, Dünen, vom Wind bewegt, die aufragenden Grottenberge. Der Sand begann kurz darauf zu verblassen. Und sie konnten den Manta mit seinen drei Passagieren erkennen, die durch das Trockene Meer glitten.
    »Dort ist er«, sagte der Ganzasket. »Tajima Nimrod, ein Soldat, gestorben und als Mentalfreier wiedergeboren. Er ist nicht allein.« Das Bild veränderte sich erneut. Dünne Linien entstanden, ein Gespinst aus mentalen Verbindungen.
    Der Ganzasket glitt mit seinen Mentalsinnen an diesem filigranen Netzwerk entlang. Es wurde dünner und durchlässiger und verlor sich schließlich im Irgendwo. Aber es war von Bedeutung.
    »Die Spur verliert sich«, sagte er nachdenklich. »Helft mir, ihr, die ihr seid! «
    Für ein paar Sekunden verstärkten sich die Netzlinien, dann verblaßten sie wieder. Ein anderer Faktor stemmte sich der Entdeckung entgegen.
    Der Schock traf ihn vorbereitet.
    Der Ganzasket krümmte sich zusammen. Eine starke Kraft griff nach seinen Mentalsinnen und zerrte sie mit sich davon, an den nun stabilen Linien des Gespinstes entlang. Einen Augenblick lang konnte er drei seltsame Geschöpfe erkennen. Er extrapolierte. Einst waren es Spezialsoldaten gewesen, doch sie waren umgeformt worden und wurden jetzt nur dazu eingesetzt, eine Fährte zu verfolgen und eine mentale Verbindung aufrechtzuerhalten. Von diesen drei Geschöpfen ging das Netzwerk aus, das in Tajima Nimrod seinen Endpunkt fand, ohne daß der Soldat davon wußte. Es waren Sammler; ihre Hirne waren nahezu leer und glichen Batterien, bereit, Kraft aufzunehmen und zu speichern. Der Ganzasket wurde weiter davongezerrt. Ein Hirn starb, und der Tod führte zu einer Rückkoppelung, die so stark war, daß sie selbst die Gedankenstimme eines Ganzasketen beherrschte. Neben ihm ertönte ein Schrei. Es war der Novize. Er starb. Der Asket konnte ihm nicht helfen.
    Es war der Tod Karamanash Ohtanis. Und dieser Tod ließ Abschirmungen zerbrechen. Der Ganzasket sah alles in erschreckender Deutlichkeit. Andere Kräfte zerrten nun an seinen Mentalsinnen, doch der Schock war annähernd überwunden. Der Ganzasket stemmte sich den fremden Gedankenstimmen entgegen.
    Er erwachte in einem zitternden Körper. Der Schimmer der Blaukristalle war wieder verblaßt. Neben ihm lag die Leiche des Novizen. Der Asket erhob sich und taumelte aus dem Gewölbe heraus. Er wußte alles. Er erhob seine Gedankenstimme und rief damit die anderen Asketen

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