Die Sirenen von Kalypso
»Eine Kleindivision Soldaten wird in den Geheimgewölben bereitgehalten.« Er wandte sich seinem persönlichen Gebundenen Propheten zu. »Und du …«
»Ja, Hoher Herr?«
»Bereite alles für eine Magische Falle vor. Ich will jetzt kein Risiko mehr eingehen. Tajima Nimrod muß das Tor nahezu erreicht haben. Stunden vielleicht nur noch.«
»Wie du befiehlst, Hoher Herr.«
9.
Die Kanäle, die die Mreyd durch das Nichts bauten, haben Jahrhunderttausende überdauert. Vielleicht sind sie unzerstörbar. Vielleicht werden sie sogar noch das Ende der Zeit erblicken. Die Mreyd selbst aber waren nicht annähernd so perfekt wie das, was sie hinterließen. Niemand weiß, wann und warum sie ausstarben. Aber es geht das Wort, daß seit jener Zeit die Schlafenden Schatten die Tore bewachen. Wehe dem, der das Universum sehen will, aber einem erwachenden Schatten begegnet. Er ist des Todes.
Mreyd-Sage
Oh, erhöre uns, Finstermann, Geschöpf der Anderen Welt. Verdränge die Furcht vor dem Diesseitigen. Der Schock, der dich einst in deine Alte Heimat zurückwarf, wird sich nicht wiederholen. Es ist alles vorbereitet, Finstermann. Komm zu uns. Wir verehren dich. Wir geben dir ein zweites Leben. Gib uns dafür deine Kraft und deine Macht.
Finstermann-Beschwörungsformel
»Wollt ihr es euch nicht noch einmal überlegen?« fragte der blinde Prophet.
Tajima schüttelte den Kopf. »Es gibt kein Zurück mehr, Freund aus der Wüste. Jetzt nicht mehr.«
»Ich verstehe.« Er deutete auf die Kolossalen Berge. »Ich werde mit meinen Wolkenfreunden zurückkehren in das Land, das ich kenne.«
»Wir danken dir für deine Hilfe.« Rovaria hauchte ihm einen Kuß auf die sonnengebräunte Wange. Er lächelte.
»Oh, es ist lange her, daß mich ein Mädchen geküßt hat. Sehr lange.« Er seufzte, und sein Gesicht wurde wieder ernst. »Hütet euch, Reisende. Es geht die Sage, daß die Mreydtore bewacht werden. Hütet euch vor den Schattengeschöpfen. Sie schlafen. Und wenn ihr sie aufweckt …«
»Wir werden vorsichtig sein.«
»Das müßt ihr auch, wollt ihr überleben.« Er zögerte. »Hütet euch auch vor euren Feinden.« Er nickte noch einmal, dann wandte er sich um und kletterte auf den Rücken der wartenden Wolkenqualle. Tajima und Rovaria betrachteten die aufsteigende Qualle, die bald darauf in den heranziehenden Dunst tauchte und damit ihren Blicken entschwand.
»Komm«, sagte Tajima.
Sie schritten zwischen aufragenden Felsbrocken hindurch. Einige von ihnen waren glasig und wirkten wie poliert. Tajima sah sich immer wieder um und entdeckte schließlich den dunklen Spalt im erstarrten Magmaboden.
»Dort müssen wir hinein.«
Rovaria sah ihn skeptisch an. »Bist du sicher …?«
»Lystra hat es mir genau beschrieben.« Er zwängte sich hinein. Von unten wehte Kühle heran. »Komm. Und sieh dich vor. Kannst du etwas wahrnehmen?«
Sie folgte ihm mit gemischten Gefühlen. Die Augen brauchten eine Weile, bis sie sich an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. »Nein. Wenn das Tor von einem Schlafenden Schatten bewacht wird, dann ist sein Schlaf sehr tief. Ich kann keine Mentalsignale registrieren. Nur die ferne Präsenz … sie ist wieder stärker geworden, Tajima.«
»Wir brauchen nicht mehr lange«, knurrte der Soldat. »Vielleicht nur noch wenige Minuten.«
Als sie den Grund der Spalte erreicht hatten, tauchten sie ein in die Welt eines Grotten- und Höhlensystems. Kalksteine wuchsen aus der Decke, und die steinernen Wände waren mit einer dicken Schicht aus Leuchtmoos bewachsen. Der Glanz warf Doppelschatten. Tajima nickte. Auch dies war richtig. Er erinnerte sich jetzt ganz deutlich an die Worte der Geschichtenerzählerin. Er sah sich um und entdeckte schließlich den hauchdünnen Kalksteinvorhang, den Lystra ihm beschrieben hatte. »Dort müssen wir entlang.« Er ergriff die Hand der Außenweltlerin. Ihre Schritte klangen dumpf von den Wänden wider, als sie durch das unterirdische Höhlenlabyrinth marschierten. An dem Kalksteinvorhang vorbei, durch einen Dunkelgang.
»Ich spüre etwas«, flüsterte Rovaria und blieb stehen. Tajima horchte, konnte aber nichts hören.
»Was?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher …«
»Ein Schlafender Schatten?«
»Nein. Etwas … über uns.« Sie blickte Tajima an. »Es ist wie bei dem Gesteuerten Unwetter.«
»Die Mentalkraft von Kirchenmönchen?«
»Vielleicht …«
»Es ist nicht mehr weit. Beeilen wir uns. Sind wir erst auf Kalypso, kann uns die
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