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Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Werning
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Rovaria ließ nun immer öfter ihre Magische Stimme erklingen, um die Luft zu verdichten und neuen Sauerstoff zu schaffen.
    Der Leib der Qualle erzitterte so heftig, daß Tajima sich an dem Auswuchs einer Außenhautpore festklammerte, um nicht vom Rücken geschleudert zu werden. Etwas krampfte sein Innerstes zusammen. Er stöhnte auf. Der Schmerz war heiß und brennend.
    »Schlimmer!« rief der Blinde und suchte nun ebenfalls nach Halt. »Viel schlimmer. Ein Luftbeben. Es bedroht den strukturellen Zusammenhalt des Wolkenquallenkörpers. Es läßt Zellen platzen und Nervenbahnen kollabieren.«
    Erneut entstand der Schmerz in Tajima, und für mehrere Sekunden konnte er seinen Körper nicht spüren. Rovaria an seiner Seite schrie ebenfalls. Es war inzwischen fast so finster wie während einer Zwischennacht.
    »Aber ich verstehe das nicht!« Die Stimme des Propheten klang fast schrill. »Es ist unmöglich. Die Bedingungen … ein Luftbeben … die Wolkenreiter hätten es erspürt …«
    »Du glaubst …« Die Worte des Realsimulacrums gingen in einem schmerzerfüllten Aufschrei der beiden Reiter unter. Diesmal dauerte es länger, fast eine ganze Minute, bis sie wieder zu empfinden vermochten. »Du glaubst, dieses Luftbeben ist nicht natürlichen Ursprungs …«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht ein starker Wettermacher …«
    »Es gibt nur eine Institution auf Leseitis, die über entsprechend starke Wettermacher verfügt, und das ist die Asketische Kirche.«
    »Die Kirche?« fragte Tajima verwirrt. »Aber warum …?«
    »Ich weiß es nicht!« rief Rovaria. Ihre Magische Stimme ertönte nun. Die Bannworte waren wie Keile, die gegen einen anderen Einfluß ankämpften.
    »Sie hat recht«, flüsterte der Blinde an Tajimas Seite. »Ich spüre es jetzt ebenfalls. Es sind Mönche. Es sind Starkwettermacher im Dienst der Kirche. Und sie wollen dich, Tajima. Sie wollen dich töten, denn du stellst eine große Gefahr für sie dar.«
    »Eine Gefahr? Ich?« Eine weitere Stoßwelle traf den Leib der Wolkenqualle. Die Reiter schrien auf. Und Tajima vermochte den Schmerz, der in seinem Innern wühlte, kaum noch zu ertragen. Seine Augen tränten, als er wieder zu sich kam.
    »Der nächste Stoß«, sagte der Prophet, »wird die Qualle auseinanderbrechen lassen.« Eilig kroch er zu den beiden Reitern und unterhielt sich mit ihnen in den zirpenden und zischenden Lauten, die Tajima nicht verstand.
    »Achtung!« rief er dann. »Haltet euch jetzt fest. Wir werden versuchen, die Unwetterzone mit einem Tiefensturz zu verlassen.«
    Rovaria und Tajima nickten. Die Außenweltlerin öffnete ihre Mentalsinne und rief nun unablässig Bann- und Schaltworte. Es war, als sauge ein anderer Faktor ihre Kraft ab.
    Dann sackte der Leib der Qualle unter ihnen hinweg.
    Tajima vernahm die Rufstimme der Außenweltlerin an seiner Seite, aber der Schmerz in seinem Innern machte Verstehen unmöglich. Er begriff, daß es zu einem erneuten Stoß gekommen war, genau in dem Augenblick, in dem der Tiefensturz begonnen hatte.
    Eine Ewigkeit später ließ der Schmerz nach, und die Schleier vor seinen Augen lösten sich auf. Er kroch an den emporgewölbten Rand der Qualle und blickte nach unten. Sie schwebten nur wenige Meter über den granitenen Graten der Kolossalen Berge. Er legte den Kopf in den Nacken. Weit über ihnen schwebte die Düsterbank. Das Grollen, das sie vernehmen konnten, war nun nicht mehr gefährlich.
    »Es war knapp«, sagte der blinde Prophet und richtete sich wieder auf. Er wandte sich Tajima zu. »Du hast mächtige Feinde, mein Freund.«
    Aber warum? dachte Tajima. Warum?
    Die Wolkenqualle schwebte über die Gipfel der Kolossalen Berge hinweg und senkte sich dann wieder dem Ebenenland entgegen. Das Mreydtor. Sie hatten ihr Ziel jetzt nahezu erreicht.
     
    Gefolgt von seiner Leibgarde und dem persönlichen Gebundenen Propheten schritt Aimin Ohtani durch die Wandelhallen und Korridore der Zentralfeste. Bedienstete, denen er begegnete, blieben stehen. In ihren Augen spiegelte sich Furcht. Aimin schritt mit ausdruckslosem Gesicht an ihnen vorbei. Es war soweit. Endlich. Jetzt war niemand mehr da, der ihn schlagen konnte. Jetzt war er der Patriarch. Jetzt gab er die Befehle. An Gangkreuzungen und strategisch wichtigen Punkten im Innern der Zentralfeste standen die Soldaten seiner Garde bereit. Sie waren wachsam. Sie würden jeden Versuch seiner Ganz- und Halbbrüder, sich ihm zu widersetzen, zu vereiteln wissen. Aimin lächelte für eine

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