Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Werning
Vom Netzwerk:
Rovaria?«
    Sie horchte für einen Augenblick in sich hinein. »Ja, aber es ist … unbestimmt. Eine allgemeine, mächtige Präsenz. So, wie auch auf Leseitis.«
    Sie blieben stehen, und Tajima deutete empor. »Sieh mal.«
    Leuchtwolken schwebten über sie hinweg. Ihr Glanz übertraf den blassen Schein der Sonne.
    »Es sind keine Wolken.« Rovaria runzelte die Stirn. »Die Präsenz verstärkt sich. Es ist, als hätten wir … Tajima, etwas nimmt uns wahr .«
    »Wer?«
    Sofort war wieder die Angst in ihm.
    »Nein, nicht die Verfolger.« Eine Zeitlang schwieg das Realsimulacrum. Als sie sich wieder Tajima zuwandte, leuchteten ihre Augen. »Diese Wolken … es sind keine Wolken, Soldat. Du hast gefunden, was du gesucht hast. Dies sind die Sirenen von Kalypso.« Sie konzentrierte ihre Gedankenstimme auf den Soldaten, und in seinen Gedanken erklang ein seltsamer, eindringlicher, melancholischer Gesang. Es waren die Stimmen der Sirenen. Er lauschte ihnen, und in seinem Innern breitete sich Ruhe aus. Er kostete die Melodien. Es war berauschend. Die Leuchtwolken zogen über sie hinweg, aber als sie verschwunden waren, verstummte der Gesang nicht. Es war eine Melodie, die alles durchdrang. Und die kam aus allen Richtungen. Sie war allgegenwärtig.
    »Ich beginne zu begreifen …«, kam es langsam von den Lippen Rovarias. Tajima legte den Arm um sie. Seine Unsicherheit verstärkte sich.
    » Was zu begreifen?«
    »Du kannst es nicht wissen, Soldat. Du hast nie die Prophetenschule besucht, und du bist auch nicht magisch begabt. Aber sicher hast du schon von den Elementaren Gewalten gehört, von denen, die sind.«
    »Ja. Eine Geschichtenerzählerin …«
    »Gut. Leseitis ist eine Magische Welt. Wird Magie beschworen, dann wird die Kraft derer, die sind, frei. Zusammen mit der genetischen Veränderung durch den zurückliegenden Nuklearkrieg ist Magie dadurch zu dem geworden, was sie auf Leseitis ist.«
    Tajima erinnerte sich daran, daß Rovaria gesagt hatte, auf den Außenwelten gäbe es keine Magie. Eine seltsame Vorstellung.
    »Doch die, die sind, existieren nicht nur auf Leseitis. Es gibt sie auch auf anderen Welten. Die Elementaren Gewalten … vielleicht bilden sie die Existenzgrundlage des Kosmos selbst. Vielleicht sind sie das, was auf den Außenwelten mit dem Begriff Naturgesetz umgeschrieben wird. Es gibt sie überall, doch nicht überall sind sie wach. Auf Leseitis sind sie halbaktiv.« Sie breitete die Arme aus. »Hier auf Kalypso aber … hier sind sie vollaktiv, und ihre Aura ist damit ungleich kräftiger und mächtiger.«
    »Die Sirenen?«
    »Ja, es sind die Sirenen. Sie sind die Inkarnationen derer, die sind .«
    »Nimm die Kraft einer sterbenden Sirene auf, und alle deine Fragen werden beantwortet«, rezitierte Tajima Nimrod die Worte der Geschichtenerzählerin. »Wie kann etwas sterben, das die Existenzgrundlage der Welt bildet?«
    »Eine Sirene kann nicht sterben.« Weitere Leuchtwolken zogen über sie hinweg. Tajima betrachtete sie mit neuen Augen. »Sie kann sich nur verwandeln – in eine andere Form der Existenz.«
    Rovaria öffnete ihre Sinne und richtete ihre Mentalstimme erneut auf Tajima. Der Soldat vernahm einen fernen Diskant. »Das ist eine sterbende Sirene. Aber sie stirbt nicht wirklich. Sie wandelt sich. Sie wird zu etwas Neuem.«
    »Ich … verstehe …«
    »Tatsächlich? Bei dieser Metamorphose wird Kraft frei, die von einem geschulten Hirn aufgenommen werden kann. Es ist nur ein Bruchteil der tatsächlichen Kraft der Elementaren Gewalten. Aber sie übertrifft alles, was auf Leseitis existiert, denn hier auf Kalypso sind die, die sind, wach.«
    Tajima sah sie an.
    »Ich begreife. Diese Kraft, sie ist wie eine Erweiterung der Sinne, wie der Funken der Erkenntnis, der Intelligenz bringt.«
    Sie nickte. »So kann man sagen, ja.«
    »Gut.« Er atmete einmal tief durch. Die Luft war frisch und kühl. Es war eine schwierige Vorstellung, daß nur wenige Meter von ihnen entfernt ganz andere Umweltbedingungen herrschten. »Ich bin hierhergekommen, um Antworten zu finden.« Die Nervosität in seinem Innern verstärkte sich. »Ich bin bereit.«
    Wieder nickte die Außenweltlerin. »Gut.« Und Tajima konnte diesmal spüren, wie Rovaria ihre Mentalsinne weit öffnete und mit ihren Gedankenarmen umhertastete auf der Suche nach einer metamorphierenden Sirene. Mit seinen inneren Augen sah er Schemenbilder Kalypsos: Kristallwälder, Flüssigbleiseen, Quecksilberströme. Etwas Mächtiges, Kraftvolles berührte

Weitere Kostenlose Bücher