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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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oder nicht begreifen wollen, was er ihm zu sagen hatte.
    »Sinnlos?«
    »Ja, der Herr.«
    »Und warum das?«
    »Weil kein Volksaufstand riskiert werden darf, nur weil Ihnen die Schnapsidee gekommen ist, in Vigàta eine Oper aufführen zu lassen, die, wie es nun mal aussieht, einfach nicht den Geschmack der Vigateser trifft.«
    »Und was sollte der Grund sein?«
      »Das ist einfach, mein geschätzter Oberst. Widerstand um jeden Preis gegen den Regierungsvertreter.«
      »Das mag schon sein, Exzellenz. Aber wenn Sie stur sind, besteht die Gefahr, daß genau zu dem Zeitpunkt großer Unmut aufkommt, da wir ihn überhaupt nicht gebrauchen können. Das sollten Sie ebensogut wissen wie ich. Ich brauche Sie ja nicht daran zu erinnern, daß die Insel ein Pulverfaß ist. Und wenn sie bis jetzt noch nicht explodiert ist, verdankt sich das der Umsichtigkeit oder, wenn Sie es lieber haben, der Angst Mazzinis. Aus diesem Grunde werde ich meine Soldaten nicht für eine Demonstration von Starrsinn zur Verfügung stellen.«
    »Der Starrsinn der Vigateser.«
    »Ja. Aber auch der Ihre.«
    »Der meine! Was erlauben Sie sich da?«
      Aymone Vidusso gelang es wie ein Wunder, an sich zu halten und nicht mit Fäusten auf sein Gegenüber loszugehen.
      »Exzellenz, versuchen wir ruhig Blut und einen kühlen Kopf zu bewahren.«
    »Ich habe einen kühlen Kopf, glauben Sie mir! Und mit dem sage ich Ihnen, wenn Gefahr von Aufständen gegen die Obrigkeit, den Staat, gegen alle Streitkräfte, alle, sage ich, ohne Unterscheidung nach Korps oder Waffengattung, besteht, dann müssen diese, bei der Heiligen Jungfrau, schuldig.
      »Jawohl, der Herr, die stinken. Und die Vigateser mehr als alle anderen«, bekräftigte Bortuzzi.
      »Ich lasse mich nicht über Gerüche aus«, meinte Aymone Vidusso diplomatisch, dem es schon seit geraumer Zeit so vorkam, als stinke Seine Exzellenz der Präfekt, und zwar gewaltig. »Ich will nochmals betonen: Noch nie in meinem Leben habe ich gehört, daß es rechtmäßig wäre, mit einem Erlaß des Präfekten irgend jemandem das Wohlgefallen an einer Oper polizeilich zu verordnen.«
      Nach diesen Worten erstarrte er und hielt verstört inne. Wie war ihm, einem steifen Piemontesen, bloß ein solch ironischer Satz über die Lippen gekommen? Offenbar setzte der Präfekt seinen Nerven mehr zu, als ihm je widerfahren war. Er faßte sich wieder und fügte hinzu: »Wenn es Ihnen paßt, können Sie das machen. Es steht Ihnen zwar nicht zu, aber Sie können es machen. Möglicherweise sieht jemand in Ihrem Handeln einen Amtsmißbrauch. Das ist dann Ihre Sache. Aber das italienische Heer darf unter keinen Umständen in eine Dummheit wie diese verwickelt werden. Ich werde jedenfalls die Stellungnahme des dafür Zuständigen einholen. Sie verzeihen.«
    Lang und steif erhob er sich, kniff das Augenglas fest und führte mit einer knappen Verbeugung die Hand ans Visier. Bortuzzi beobachtete das Manöver, und seine Ihrem direkten Vorgesetzten Rapport zu erstatten. Das ist der General Casanova, nicht wahr?«
      »Jawohl der Herr, Avogadro di Casanova. Tun Sie nur, was Sie für richtig halten, Exzellenz.«
      Er machte auf dem Absatz kehrt, ging hinaus und zog die Tür hinter sich zu.
      »Oberarschloch!« murmelte Seine Exzellenz. »Das wirst du mir büßen! Du wirst in einen Wirbelsturm geraten und den eisigen Wind auf der nackten Haut zu spüren kriegen! Die Schrotkugeln werde ich dir um die Ohren pfeifen lassen wie auf der Schnepfenjagd!«
    Bortuzzi konnte noch so viel vor sich hin fluchen, es half
    nichts. Der Oberst verfügte über Rückendeckung. Als er nämlich gemerkt hatte, woher der Wind wehte, und vorauszusehen war, daß im Ernstfall das Einschreiten des Heeres gefordert werden würde, hatte er vier Tage vor der Unterredung mit dem Präfekten einen ausführlichen Bericht an den Generalleutnant Avogadro di Casanova, stationiert in Palermo, verfaßt. Er erklärte, daß der Präfekt sowohl untauglich und, schlimmer noch, ein Hanswurst sei, der zu den ärgsten Narreteien, aufgelegt war. Anders gesagt, er sei schlimmer als ein Clown: ein Individuum, dem die Macht in den Kopf gestiegen sei und das nicht gezögert habe, sich zur Ausübung dieser Macht mit einem schmierigen Typen, gemeinhin als Mafioso bekannt, zu verbünden. Der Starrsinn dieses Mannes, der den Vigatesern um jeden Preis die Aufführung des
      »Teufel noch eins!« erwiderte der Bote in beleidigtem Ton. Das war doch keine Frage! In den

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