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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Abendstunden würde er ganz sicher mit der Antwort zurück sein.
      Tatsächlich hatte Vidussi ihn gegen zehn Uhr abends schlammverkrustet und vor Zufriedenheit strahlend bei sich eintreten sehen. Der Bote reichte ihm ein Kuvert. Merkwürdigerweise trug der Umschlag weder einen Absender noch einen Stempel, und das gleiche galt für den Zettel darin, der in keiner Weise offiziell war. Das Schreiben bestand aus zwei Zeilen und trug die unverkennbare Signatur des Generals Casanova. Es besagte: »Sagen Sie Ihrem Präfekten, mit einem schönen Gruß von mir, er soll sich ins Knie ficken.«
      Er wußte nicht, mit wieviel Takt, aber dem Befehl und seiner persönlichen Neigung folgend, hatte er deshalb Seiner Exzellenz klar und deutlich gesagt, daß er sich zum Teufel scheren solle.

    Seitdem Vidusso den Raum verlassen hatte, saß der Präfekt, den Kopf in den Händen, da und stieß immer verstiegenere Flüche aus, wie sie ihm gerade in den Sinn kamen. Mit finsterer Miene sah er auf Emanuele Ferraguto, der mit einem breiten Lächeln übers ganze Gesicht gerade sein Amtszimmer betrat.
    »Die Sache sieht gar nicht gut aus, Ferraguto. Mit Vidusso habe ich einen Reinfall erlebt. Er will nicht.« »Meinen Sie?«
      »Aber gewiß doch, Exzellenz. Der Hauptmann Villaroel mit seinen berittenen Soldaten genügt uns vollauf. Wieviel Radau können die paar Schwachköpfe aus Vigàta schon machen? Der Villaroel wird schon fertig werden mit denen.«
      »Es geht nicht darum, wie laut der Krach ist. Wichtig ist, daß er gar nicht erst gemacht wird! Und auf jeden Fall, sollte etwas geschehen, hätte das Einschreiten des Heers die Sache auf eine andere, wie soll ich sagen, weniger private Ebene gestellt. So aber hat dieser Scheißkerl von Vidusso mich im Stich gelassen!«
      »Exzellenz, bleiben Sie ruhig und halten Sie die Ohren steif. Emanuele Ferraguto gibt Ihnen sein Wort, daß in Vigàta, wenn der Bierbrauer aufgeführt wird, nicht das geringste passieren wird. Der Hauptmann Villaroel und seine vierundzwanzig Soldaten von der leichten Kavallerie können uns, Sie werden verzeihen, Exzellenz, vor, während und nach der Musikaufführung am Sack kratzen. Sie werden nichts zu tun haben! Doch hören Sie nur, welche Neuigkeit ich Ihnen mitgebracht habe.«
      Er holte aus der Hosentasche ein achtfach gefaltetes Blatt hervor, strich es glatt und legte es vor dem Präfekten auf den Schreibtisch.
    »Es kommt ganz frisch aus der Presse. Meine Hände sind noch schwarz von Druckerfarbe.«
    Eifrig machte Bortuzzi sich an die Lektüre.

    Der offene Brief besagte im wesentlichen, daß »hiermit die Vigateser so höflich sein« und ein einziges Mal den Worten einer Zeitung aus Montelusa Gehör schenken mögen. Der Verfasser des Artikels, der Herausgeber Micio Cigna in Person, wußte nur allzu gut, »wie sehr die Vigateser immer und bei jeder Gelegenheit die Ratschläge und Aufrufe in den Wind geschlagen haben, die ihnen aus dem Hauptort Montelusa so reichlich zuteil wurden, um den Ableger Vigàta auch am Fortschritt der Zivilisation teilnehmen zu lassen«. Doch für die Sache, um die es in dem Artikel ging, bat Micio Cigna sie inbrünstig um die gebührende Aufmerksamkeit. Es war gemeinhin bekannt, daß aus Anlaß der Einweihung des neuen Theaters von Vigàta »nach einer langatmigen und manchmal hitzigen Auseinandersetzung, bei der ehrenhafte Männer aufeinander losgingen, jedoch stets mit dem gemeinsamen Ziel, der Bürgerschaft das Beste zukommen zu lassen, was auf dem schwierigen Terrain der Kunst geboten wurde«, am Ende mehrheitlich der Aufführung eines leider nicht allen bekannten und nicht von allen geschätzten Opernwerks wie des Bierbrauers von Preston von Luigi Ricci zugestimmt worden war. »Das Stück kann große Erfolge an den anderen Theatern Italiens vorweisen.« Bei der Ankündigung des Werks, mit dem das Theater eingeweiht werden sollte – fuhr Micio Cigna fort –, der Oper« zu liefern; ihm ging es einzig und allein darum, einen Appell an die »Intelligenz und das Feingefühl« der Vigateser zu richten, auf daß sie »den wahren Wert« der Oper erst nach der Aufführung »derselben« beurteilen mögen.
      Das war alles, was Micio Cigna von den Vigatesern forderte – ein Urteil, das ruhig »streng sein durfte, aber gerecht«, wie es die Vigateser im übrigen bei anderen Gelegenheiten »von wesentlich größerer Gewichtigkeit« zu geben verstanden hatten.
    Der offene Brief endete so:
      »Vorurteile haben immer nur

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