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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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gefährlichen Zustand war.
    Das Grün der Wohnungstür der Witwe hatte durch den Rauch ins Braun übergewechselt. Er öffnete sie und betrat auf dem Bett liegen. Es war die Nachbildung der eng ineinander verschlungenen nackten Leiber eines Mannes und einer Frau.

    »Zu spät, wie üblich, immer kommst du zu spät«, zischte Angelica Gammacurta ihrem Gatten zu, der aus dem Foyer zurückkam und sich anschickte, an ihrer Seite Platz zu nehmen, nachdem seinetwegen vier Personen hatten aufstehen müssen.
    Sie waren schon beim zweiten Akt.
      »Der zweite Akt hat schon vor einer ganzen Weile angefangen«, stieß Frau Gammacurta wütend hervor.
      »Meinst du etwa, kultivierte Leute benehmen sich so wie du?«
      »Das schert mich einen Dreck. Will der Präfekt mich morgen etwa wie einen Schulbuben abfragen? Es reicht schon, daß ich mir dieses Spektakel überhaupt zumute. Passen die anderen etwa besser auf als ich?«
      Kaum hatte Doktor Gammacurta nämlich den Zuschauerraum betreten, war es ihm so vorgekommen, als sei er auf dem Fischmarkt, wo gerade die vollen Fischkutter entladen wurden. Die Leute, egal ob im Parkett, in den ersten Rängen oder in der Galerie, alle erzählten sich vergnügt und aus vollem Hals ihre eigenen Angelegenheiten, ohne dem Geschehen auf der Bühne auch nur die mindeste Aufmerksamkeit zu schenken. Und die Darsteller sangen sich die Kehle heiser, um das lärmende Publikum zu übertönen.
    »Wer? Ich hab' Sie nicht recht verstanden! Wollen Sie mir das bitte genauer erklären?« bat ein Herr aus dem sich im Sägewerk einen Finger abgesägt hat.«
      Es herrschte allgemeines Beileidsbekunden zu Trauer- und Unglücksfällen und Beglückwünschen zu Hochzeiten, Geburten und Verlobungen. Da sich die Bürger seit langem einmal wieder und obendrein auf so ungewohnte Weise beisammen fanden und sie die Oper nicht im mindesten interessierte, hatten sie die Gelegenheit wahrgenommen, untereinander die letzten Neuigkeiten auszutauschen. Auf diesem Wege erfuhr Gammacurta, daß der Preis der Mandeln ebenso wie jener der Saubohnen im Ansteigen, hingegen der des Getreides im Sinken war, daß der Schwefelpreis sich hielt und daß das Schiff aus Frankreich, das vor Ort Salz laden sollte, wegen schlechter Wetterverhältnisse vor Korsika mit Verspätung eintreffen würde; daß Frau Tabbìsi endlich den langersehnten Stammhalter zur Welt gebracht hatte, daß dem Diplomlandwirt Salomone seit einem Monat Hörner aufgesetzt wurden, daß die älteste Tochter der Vincis eindeutig eine Hure war, daß der liebe Gott im Himmel den Kapitän Cumella zu sich gerufen hatte und sich – das war einhellige Meinung aller – dazu ein wenig zu lange Zeit gelassen hatte.
    Der Präfekt Bortuzzi in dem königlichen Rang, der ihm in Abwesenheit des Königs von Rechts wegen zustand, war kreidebleich geworden, während seine Gemahlin einer roten Pfefferschote glich. Bürgermeister Bennici hingegen neigte zum Blaßgrün mit einem Stich ins Gelbliche, und streckte den Kopf einmal nach rechts, dann wieder nach links, bewegte die Hände wie die Schaufeln eines Mühlrads in der Luft und redete ununterbrochen einmal mit dem Mafioso zu seiner Rechten, dann mit dem Vertreter des Gesetzes in Uniform zu seiner Linken. Für Seine Exzellenz ging alles schief, und nicht etwa weil die offenen Gegner der Oper sich mit Pfiffen wie Ziegenhirten und anderweitigen Lauten, von höhnischem Gelächter bis zu Furzgeräuschen, Luft gemacht hätten, sondern einfach, weil der Bi erbrauer auf allgemeine Gleichgültigkeit stieß und nicht im geringsten ankam. Er warf einen Blick auf Don Memè, und der ließ entmutigt die Arme sinken. Gegen zehn hätte er ja noch antreten können, aber gegen ein ganzes Dorf?

    Als Gammacurta endlich saß, beschloß er, sich ein klein wenig für das Treiben auf der Bühne zu interessieren.
      Die Szene hatte gewechselt und zeigte jetzt die Außenmauer einer ländlichen Schenke, vor der kleine Tische, Stühle und Bänke aufgestellt waren. Der Bühnenprospekt stellte ein Feldlager dar, und tatsächlich standen auch einige Offiziere und Soldaten vor dem Eingang zur Schenke und sangen.
    »Wer sind denn die?« fragte der Arzt seine Frau.
    »Englische Soldaten.«
    »Das sehe ich selbst. Aber was machen sie?«
      »Eine Personenverwechslung. Die Soldaten, die nach dem Zwillingsbruder suchen, werden den Bierbrauer verhaften, weil sie ihn mit dem anderen verwechseln.«
    Eine Verwechslung. Wenn die Geschichte darauf hinauslief, wie

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