Die sizilianische Oper
es sogar die dumme Gans von Eheweib Angelica ahnte, hatte eine Oper wie die hier nicht die geringste Aussicht auf Erfolg. Wie stand das Verhältnis der Dinge, die in Sizilien aus Verwechslung geschahen, gegenüber denen, die nicht durch Vertauschen von Personen oder Dingen zustande kamen? Um einmal von Vigàta und nur von den letzten drei Monaten zu sprechen, war Artemidoro Lisca aus Versehen anstelle von Nirino Contrera in einer mondlosen Nacht ermordet worden; Turidruzzu Morello hatte sich wegen einer Verwechslung mit Filippa Mancuso verheiratet, die er zu nächtlicher Stunde entjungfert hatte, ohne zu merken, daß es sich nicht um deren Schwester Lucia handelte, die eigentlich dazu bestimmt war; Pino Sciacchitano hatte das Zeitliche gesegnet, weil seine Frau das Stärkungsmittel, das er gewöhnlich nach dem Essen einnahm, mit dem Rattengift verwechselt hatte. Kam einem da nicht der Zweifel, daß all diese Verwechselei nur eine Finte war und im Grunde keinerlei Irrtum vorgelegen hatte und daß das mit der Verwechslung nur ein Alibi, ja so etwas wie eine üble Angewohnheit war? Wie aber sollten Leute, für die Verwechslungen das Alltäglichste auf der Welt waren, über eine Verwechslung lachen können, die noch tausendmal fiktiver war?
als hätte er einen Besenstiel verschluckt, den Kopf reglos auf dem Hals und mit einem Schritt, als wären die Beine aus Holz. Tobia machte den Klang der Trommel nach, tamtam, tamtam, doch Daniele war offenbar unfähig, die Lektion zu lernen. Seine Verlobte Effy eignete sich hingegen bestens zum Marschieren: es fiel ihr leicht, schien sie doch eher ein Mann als eine Frau zu sein. Über Effys Bravour war Tobia hoch erfreut:
Im Handumdrehn hat sie's geschafft und es zum richt'gen Regimentssoldat gebracht.
»Also ist in Wirklichkeit Daniele der, der mit seinem Bruder, dem Soldaten, verwechselt werden will?« fragte sich Gammacurta, der plötzlich Interesse zeigte. »Und warum?«
Er drehte sich zu Angelica hin, die wie hypnotisiert auf die Bühne starrte.
»Warum will Daniele, daß man ihn mit seinem Zwillingsbruder verwechselt?«
»Das habe ich nicht kapiert.«
»Wohin, zum Teufel, glotzt du dann mit aufgerissenen Augen, als wärst du verhext?«
»Die Kostüme«, erwiderte Angelica nur knapp.
Diese Antwort versetzte Gammacurtas Magen in Aufruhr. Er spürte, daß er es nicht bis zum Ende im Theater aushalten würde.
»Ich gehe.«
»Nein, heute abend gibt es niemanden, der ärztliche Hilfe braucht. Auf Wiedersehen.«
Er setzte sich in Bewegung, bat erneut die vier Personen in seiner Reihe um Verzeihung für die Störung, die sich diesmal leise fluchend erhoben und ihn schräg ansahen. Wie seine Frau dahintergekommen war, daß er seit geraumer Zeit ein Verhältnis mit der örtlichen Hebamme hatte und daß, wenn er abends spät nach Hause kam und sagte, er sei in der Praxis geblieben, alles nur ein Lügenmärchen war, das hatte er noch nicht begriffen. Mindestens zweimal in der Woche ließ er sich von den jugendlichen Schenkeln und den prallen Brüsten der Geburtshelferin Ersilia Locuratolo über die Mühen seines Alltags hinwegtrösten, und nur die wenigsten wußten Bescheid. Doch wie man sah, mußte unter diesen wenigen ein Hornochse gewesen sein, der seiner Angetrauten gegenüber den Mund nicht hatte halten können, und die wiederum hatte die Nachricht schleunigst Angelica hinterbracht. Doch heute abend war er ehrlich müde und verspürte Sehnsucht nach seinem eigenen Bett.
Er schickte sich an, den schweren Samtvorhang hochzuheben, der die Tür zwischen Parkett und Foyer verdeckte, als eine dröhnende Stimme das Getuschel aus dem Zuschauerraum, den Gesang der Sänger und die Orchestermusik noch übertönte und ihn innehalten ließ.
»Herr Präfekt! Herr Präfekt!« rief eine verzweifelte Stimme von der Galerie.
ihnen folgen. Lassen Sie uns wissen, was Ihre Meinung ist, Herr Präfekt!«
Gammacurta lüpfte den Vorhang und ließ ihn hinter sich wieder fallen, und das Gelächter des Publikums, die Klänge und die Stimmen der Oper, die ihren Leidensweg fortsetzte, klangen mit einemmal gedämpft. Er zog den Garderobenzettel aus der Hosentasche und reichte ihn dem Zuständigen.
»Hut, Mantel.«
Ninì Nicosìa, der Garderobier und einer seiner Patienten, reichte ihm umgehend das Gewünschte und lächelte ihn an.
»Wie geht's dir denn, Ninì? Tut dir der Bauch noch immer weh?«
»Nein, Herr.«
Er neigte sich zum Arzt hin und
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