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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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wie mir geschieht, sobald ich mitkriege, es gilt irgendwo Unruhe zu stiften. Geht es darum, das Theater abzubrennen? Gut, dann brennen wir es ab. Decu ist dabei! Wollen wir das ganze Dorf in Schutt und Asche legen? Gebt Garzìa nur eine Fackel! Wollen wir die ganze Welt verarschen? Da bin ich einer von den ersten! Aber warum? Und wieso? Aus welchem Grund? Das kümmert mich nicht die Bohne. Sobald es um deinem Schädel als die, Tohuwabohu zu machen?«
    »Du hast es erraten.«
      »Darf ich dir ganz offen und ehrlich sagen, mein Freund: ich schere mich nicht darum, warum du etwas machen willst oder warum nicht. Mir reicht, daß du die Sache überhaupt machst.«
      »Ich mache sie, und ob! Dafür kannst du die Hand ins Feuer legen. Was ich dir gesagt habe, soll nicht heißen, daß ich mich drücken will.«
      Don Pippino kam mit einer stinkenden Petroleumlampe herein und setzte sie zusammen mit einem kurzen Eisenstab auf dem kleinen Tisch ab.
    »Reicht diese Lampe?«
    »Ich denke schon.«
      »Dann sind wir uns ja einig. Morgen früh schicke ich einen Diener mit einem Koffer mit Ihren Kleidern zum Haus von Decu Garzìa. Hier bei mir dürfen Sie sich nach der Tat nicht mehr blicken lassen.«
    Traquandi blickte ihn unverwandt an.
      »Ich weiß, daß Sie ein mutiger Mann sind«, sagte er, »und deshalb jagen Sie mich nicht etwa weg, weil Sie Angst vor den Folgen haben. Was ist der wahre Grund? Ich habe da so einen Verdacht: ist es vielleicht, weil Sie mich verachten?«
    »Stimmt«, sagte Mazzaglia mit fester Stimme.
    Frauen und Kinder wurde geschossen. Wut und Scham überkamen mich. Wut, weil man nicht einfach zusehen darf, wie unschuldige Menschen niedergemetzelt werden. Scham, weil ich selbst mit meinen eigenen Worten, meinen eigenen Händen, mit den Jahren im Gefängnis, mit dem Exil meinen Teil dazu beigetragen habe, ein Italien zu schaffen, das nun einmal so geworden ist, wie es ist: der eine Teil unterdrückt den anderen Teil, und lehnt dieser sich auf, dann wird geschossen. Nun aber habe ich keine Lust mehr, mich weiterhin zu schämen, weil ich Leute wie Sie unterstütze, die vielleicht so denken wie ich, aber keinerlei Gewissensbisse haben, noch mehr Blutvergießen zu provozieren. Das ist alles. Ende des Vortrags.«
      Nando Traquandi erhob sich, ohne etwas zu erwidern. Decu Garzìa folgte ihm.
    »Hätten Sie vielleicht ein Stück Schnur?«
      Don Pippino zog ein Knäuel dicken Bindfadens aus einer Schublade und schnitt ein großes Stück ab. Traquandi führte ein Ende durch den Griff der Lampe, verknotete ihn mit dem anderen Ende und hängte sich die Lampe über die Schulter. In weite Umhänge gehüllt gingen sie auf das Eingangstor zu. Don Pippino machte auf, blickte um sich, und da niemand zu sehen war, machte er den beiden ein Zeichen herauszukommen. Das Wetter war noch immer unheilschwanger.
    »Braucht ihr ein Licht?«
    Garzìa wollte schon ja sagen, denn er hatte Angst, sich
    Schweigend legten sie das erste Stück zurück. Die Nacht war wirklich so finster, daß man sich nicht nur das Hirn einrennen, sondern auch die Beine brechen konnte. Vorsichtig bedacht, wo sie die Füße hinsetzten, gingen sie noch ein Stück, bis sich ihre Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Da fragte der junge Mann aus Rom: »Gibt es im Dorf jemanden, der dindaroli verkauft?«
    »Was ist das denn?« fragte Garzìa verdutzt.
      Und zu Decus Verwunderung hob Nando an, in Versen zu sprechen:
    Der Dindarolo ist ein klein' Ding
    aus gebrannter Erde und fast rund,
    innen hohl und oben mit 'nem Knopf,
    unten hat's 'nen breiten Fuß zum Aufrechtstehn
    und neben dem runden Knauf 'nen Schlitz:
    breit genug, um Münzen durchzulassen,
    das nehmen die Kinder als Versteck
    für ihre kleinen Schätze.
    »Ich hab verstanden«, sagte Decu. »Eure dindaroli sind
    unsere carusi, wo die Kleinen ihre Münzen hineinstecken.«
    »Aber sind die carusi bei euch nicht die jungen Burschen?«
      »Das wäre zu schön, aber ich bin völlig unbegabt. Das sind Verse von Giuseppe Berneri, einem römischen Dichter. Von ihm stammt das Gedicht Meo Patacca. Er hat mich auf die Idee gebracht, das Theater anzuzünden. Berneri erzählt nämlich, als in Rom das Judengetto überfallen wurde, nahm man dazu mit Schießpulver gefüllte tönerne Sparbüchsen, steckte eine brennende Zündschnur in den Schlitz und warf sie in die Häuser der Juden. Die Tongefäße zerbrachen bei dem Aufprall, das Schießpulver verteilte sich überall und fing Feuer.

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