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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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ersten Begegnung sein Blut in Wallung brachte. Und dabei war sie das erste Mal in übler Verfassung gewesen: der Ehemann hatte ihr nämlich bei einer heftigen Eifersuchtsszene mit einem Fausthieb einen Backenknochen eingeschlagen.
      Der von den Nachbarn alarmierte Kommissar hatte Agatina mit verschwollenem Gesicht, aber dunklen, lebhaften Augen, die immer einen fragenden Ausdruck hatten, tiefroten, zitternden Lippen (die sicher nach Safran und Zimt rochen, dachte Puglisi) und kleinen, über dem geschnürten Mieder hüpfenden Brüsten angetroffen.
      »Wer hat den Herrn bloß gerufen? Es gab hier keinen Streit. Ich bin nur ausgerutscht und habe mich am Schrank gestoßen.«
    »Warum habt Ihr dann so ein Geschrei gemacht?«
      »Gnädiger Herr, wenn einer sich weh tut, schreit er dann vielleicht nicht?«
      Nicht nur schön war sie, sondern auch gerissen. Sechs Monate später wurde er erneut gerufen. Dieses Mal hatte sie ein schlimmes violettes Mal rings um den Hals.
    »Das da? Das Zeichen da? Aber was denken Sie bloß,
      »Gewiß, Herr Kommissar. Danke.« Und sie griff nach seiner Hand, um sich zu verabschieden.
      Auf diese Berührung war er nicht gefaßt. Es fühlte sich so an, als hätte sie nicht nur eine Hand um seine Finger gewunden, sondern ihren ganzen Leib. Und als wäre die Hand des Mannes zu einem anderen Ding geworden und ganz tief in sie eingedrungen, bis ins Innerste ihres Blütenkelchs.

    Er mußte dreimal klopfen, bevor Agatina ihm verschlafen antwortete.
    »Wer ist da?«
    »Ich bin's, der Kommissar Puglisi.«
      Sofort ging die Tür auf, und Agatina stand im Nachthemd vor ihm. Ihre Haut roch nach warmem Bett, und die Farbe, die Puglisi unmittelbar in den Sinn kam, war das wabernde Rosa eines aufgeschnittenen Seeigels.
      »Was ist denn? Was ist passiert? Ist etwas mit meinem Mann?«
      »Nein. Beruhigen Sie sich. Ihrem Gatten ist nichts geschehen.«
      Erleichtert atmete Agatina tief durch, und ihre Brüste hoben und senkten sich.
    »Kommen Sie herein.«
    Puglisi trat ein und ließ sich von der immer kräftigeren Farbe des weit geöffneten Seeigels betäuben.
    war, warum hatte sie dann nicht um Hilfe gerufen?
    »Haben Sie den Schlüssel zu ihrer Wohnung?«
    »Gewiß doch.«
      Sie ging zur Kommode, zog sachte eine Schublade auf, um den dreijährigen Sohn, der im Ehebett schlief, nicht zu wecken, nahm einen Schlüssel heraus und überreichte ihn Puglisi. Dann begann sie zu zittern.
    »Was ist passiert, Herr Kommissar?«
    »Haben Sie heute nacht nichts gehört?«
    »Nein, der Herr, nichts. Wir sind hier so gut wie auf dem
    Land. Gestern sind wir gegen sieben nach der Abendmesse zu Bett gegangen. Mein Mann ist heute früh noch vor Tagesanbruch aufgestanden und mit dem Boot hinausgefahren. Aber was ist bloß passiert? Machen Sie mir doch keine angst!«
      Sie geriet ins Schwanken und hielt sich an ihm fest. Instinktiv legte Puglisi seinen Arm um ihre Hüfte. Bei dieser Berührung drängte sie sich noch näher an ihn. Dem Kommissar drehte sich's im Kopf. Dieses Weib war höchst gefährlich. Er mußte auf der Stelle hier weg.
      »Wir machen es so: Haben Sie eine Nachbarin, die auf den Kleinen aufpassen kann?«
    »Ja.«
    »Sobald Sie das Kind versorgt haben, kommen Sie zum Haus Ihrer Schwester. Aber ich bitte Sie inständig, machen Sie keinen Lärm, kein Geschrei, egal was Sie Knapp zehn Minuten später erreichte Puglisi im Eilschritt den Beamten, den er zur Überwachung des brandbeschädigten Hauses zurückgelassen hatte. Der Wachposten sah ihn verdutzt an: »Herr Kommissar, mir scheint, Sie sind jetzt noch schmutziger und rußiger als zuvor.«
      »Geh mir nicht auf den Keks, du Klugscheißer. Hast du jemanden im Haus gehört?«
      »Nein. Wen hätte ich denn hören sollen? Donna Nunzia ist doch bei ihrem Sohn, und die Pizzutos sind im Krankenhaus.«
    »Paß auf, ich gehe jetzt in den zweiten Stock hinauf.«
      »Aber warum? Der ist doch nicht abgebrannt. Wenn jemand dort wäre, hätte er längst das Weite gesucht.«
    »Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt.«
      Der Polizist verstummte. Es kam nicht oft vor, daß der Kommissar so unhöflich war. Und das bedeutete, die Lage war ernst.
      »In Kürze wird hier eine Frau auftauchen. Laß sie hinaufgehen, aber sag ihr, sie soll sich auf der Treppe an der Wandseite halten. Das ist sicherer.«
      Er stieg drei Stufen auf einmal nehmend nach oben. Er mußte sehr achtgeben, da die Treppe in einem wirklich

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