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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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Reich nicht beflecken, indem ich ihn mit dem Gesicht der heiligen Stadt zugewandt sterben lasse.«
    Der hajib findet seine Stimme wieder und bettelt um sein Leben, doch Ismails Gesicht ist wie aus Marmor: hart und kalt. Er geht hinaus, um die Ausführung seiner Befehle zu beaufsichtigen, und nimmt auch seine persönliche Entourage mit, als Lektion für alle, die glauben, ihre Kompetenzen überschreiten zu können. Zidanas Bitte, mitkommen zu dürfen, wird abgelehnt. Sie zieht sich unterwürfig in den Harem zurück, in der Gewissheit, gewonnen zu haben. Es ist das erste Mal, dass Ismail ihr in meiner Gegenwart etwas abschlägt.
    Der schwere Mann wird zum westlichsten Ende des Lagers geschleppt und mit den Füßen an das größte und stärkste Maultier gefesselt, das sich in den königlichen Ställen auftreiben lässt. Er heult und winselt um Gnade. Nicht ein einziges Mal betet er. Vielleicht hätte Ismail sich davon erweichen lassen, doch sein einziger Gedanke gilt seinem körperlichen Schicksal, nicht seiner Seele. Das Tier rollt heftig mit den Augen, denn die Sache gefällt ihm nicht, bis der Anführer der bukhari es mit Peitschenschlägen und Geschrei schließlich vertreibt. Ich sehe, wie der Kopf meines Feindes über Steine holpert, wie ihm die Haut abgeschürft wird und er am Ende nur noch ein alter Fleischklumpen ist, den man den Jagdhunden zum Fraß vorwirft. Mir wird übel; ich muss mich abwenden.
    Ben Hadou wirft mir einen Blick von der Seite zu. »Freut es dich nicht, das Ende deines Feindes mitzuerleben, Nus-Nus?«
    »Ein solches Ende wünsche ich niemandem.«
    Al-Attar zuckt die Achseln. »Man darf nicht wählerisch sein, wenn es darum geht, die Waage der Gerechtigkeit wieder ins Lot zu bringen.«
    Und vielleicht hat er recht. Doch statt Triumph oder auch Erleichterung über den Tod des Mannes zu empfinden, der mir meine Männlichkeit geraubt hat, fühle ich nur Leere.
    Der Tod des hajib wirft einen Schatten über den ganzen Hof. Dass jemand, der so viel Macht hatte, derart unversehens und schändlich – von einem Maultier zu Tode geschleift! – stürzen kann, macht jedem deutlich, wie unsicher seine eigene Position ist. Plötzlich fürchten die Leute ihre Sterblichkeit mehr als den Krieg oder die Pest. Selbst Zidana wirkt gedämpft: Sie erhebt nicht einmal Protest, als Ismail Alys’ Sohn als den seinen anerkennt und ihn damit zu einem Emir des Reiches erhebt.
    Doch wohin ich auch gehe, überall werde ich wissend beäugt. Hinter vorgehaltener Hand tuschelt man über mich. Die Leute grinsen, kichern verächtlich oder, schlimmer noch, zeigen Mitleid mit mir. Ich brauche jeden Funken Haltung, den ich aufbringen kann, um ihnen ins Auge zu sehen und entgegenzutreten. Nach zwei Wochen verlieren sie allmählich das Interesse, und nach drei scheint es vergessen zu sein, trotzdem wächst der Groll in mir. Ich hätte die Sache lieber selbst mit Abdelaziz ausgetragen, aber jetzt hat man mir auch die Rache gestohlen, und das macht mich wütend. Wenn in meinem Land jemand seine Ehre verliert, kann er die Beleidigung nur mit eigener Hand sühnen. Stirbt der Täter auf andere Weise, bleibt das Opfer auf ewig entehrt, und der Geist seines guten Namens verfolgt ihn bis an sein Lebensende.
    Als wir nach Meknès aufbrechen, höre ich überall in der Ebene Reiher und bin überzeugt, dass es die Todesschreie des hajib sind.

FÜNFUNDZWANZIG
    B ald wandten sich Ismails Gedanken wieder seiner Hauptstadt zu. Man hatte einen französischen Händler gefangen genommen, der die nach wie vor Widerstand leistende englische Garnison in Tanger mit Schießpulver belieferte. Normalerweise hätte das gereicht, um dem Mann einen schnellen Tod zu garantieren, doch das Schießpulver war an Kaid Omar und seine Belagerungstruppen umgeleitet worden, und der Kaid war so entzückt, dass er den Händler begnadigt hatte und ihn zusammen mit den Kriegsgefangenen in die unterirdischen Sklavenverliese hatte werfen lassen. Dort hörte einer der Wärter ihn von Versailles schwafeln und wusste gleich, dass der Sultan sich dafür interessieren würde. Der Mann kam zusammen mit einer Gruppe neuer Arbeiter, die dazu verdammt waren, ihr Leben in Meknès zu beenden, an den Hof. Als er dem Sultan vorgeführt wurde, war er in einem jämmerlichen Zustand. In einem seiner seltsamen Anflüge von Güte gab Ismail Befehl, seine Wunden zu verarzten und ihn mit angemessener Kleidung zu versorgen. Am Gesicht des Mannes konnte man ablesen, wie die Todesangst der

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