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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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fertige Skizzen an, nur für mich, während ich umherschlendere und die Anzahl und Qualität der Säulen und Mosaike für Ismail notiere.
    So versunken bin ich in diese Arbeit, dass ich beinahe vergesse, einen Stein für den Sultan einzustecken, und als zur Rückkehr nach Meknès gerufen wird, muss ich in aller Eile etwas Ungewöhnliches finden. Schließlich bitte ich einen der Männer, mir zu helfen, ein Stück von einer umgestürzten Säule zu bergen. Es handelt sich um das Fragment eines gemeißelten Kapitells, das etwas von der Kunst des antiken Steinmetzen verrät. Wir wickeln es sorgfältig in das Stück Seide und verstauen es in der Satteltasche eines Maultiers. Das arme Tier geht immer schiefer, als wir den langen Weg nach Hause zurücklegen.
    Ismail ist sehr zufrieden mit meiner Wahl. Er betrachtet den Stein ausgiebig und streicht mit dem Finger bewundernd über die Oberfläche. Das Muster deutet die filigranen, ineinander verschlungenen Blätter und Blüten nur an, statt sie abzubilden. »Dies stammt aus dem Herzen des ersten afrikanischen Reiches, Mauretania Tingitana, das von den Römern errichtet wurde. Doch bereits mein eigenes Gebiet hier übertrifft seine Größe.« Seine leuchtenden Augen ruhen auf mir. »Stell dir das vor, Nus-Nus! Meine Macht ist jetzt schon größer als die der Römer mit all ihren mächtigen Heeren. Jetzt muss ich nur noch die verdammten Engländer aus Tanger verjagen und die ungläubigen Spanier aus Larache und Mamora, dann werde ich die Reinheit des wahren Glaubens überall in unserem Land wiederhergestellt haben. Dazu bin ich bestimmt. Es ist meine Aufgabe. Weißt du, warum ich dich nach Volubilis entsandt habe?«
    Ich schüttele den Kopf. Manchmal ist es klüger, nichts zu sagen.
    »Dort hat Moulay Idriss, der Urgroßenkel des Propheten, den Islam in Marokko eingeführt, als er vor den Assassinen des Abbasiden-Kalifen floh. Und dort kam sein Sohn, der zweite Idriss, zur Welt, der Marokko zusammenführte und eine enge Verbindung mit den Worten des Propheten einging, als er unser großes Reich unter einem einzigen Glauben und einer einzigen Fahne einte. Es liegt Magie in diesen Steinen, Nus-Nus, denn sie sind nicht nur getränkt von der Macht des antiken Roms, sondern auch vom Wort Gottes. Und deshalb muss ich sie meiner Stadt einverleiben, denn ihre Kraft wird mich in meiner heiligen Pflicht unterstützen.«
    In all dieser Zeit, unterbrochen nur von weiteren Aufständen im Rif-Gebirge und der Belagerung der englischen Kolonie in Tanger, widmete sich Ismail mit ganzem Herzen dem Umbau seines Palasts. Häufig schuftete er mit entblößtem Oberkörper neben seinen Sklaven wie ein einfacher Arbeiter, Gesicht und Arme mit Erde und Kalk beschmiert. Er war wie ein Getriebener, ein Mann, der keine Ruhe fand, weil seine Träume ihn verzehrten.
    Dieser zweite Sommer war beängstigend, die Hitze unerträglich. Die Brunnen versiegten, und die spärlichen Ernten auf den wenigen Feldern fielen einer Heuschreckenplage zum Opfer, die aus der Wüste herangeweht worden war. Am Ende des Jahres war immer noch kein Tropfen Regen gefallen. Die Springbrunnen blieben abgestellt, und im stehenden Wasser brüteten Moskitos, die des Nachts um uns herumsirrten und unser Blut saugten.
    Die Nachricht, dass es der englischen Garnison bei der Verteidigung ihrer Kolonie in Tanger gelungen ist, in einer langen, blutigen Schlacht die Truppen des Sultans zurückzuschlagen, hätte kaum zu einer schlimmeren Zeit eintreffen können. Ismails General, Kaid Omar, trifft am dritten Tag des Muharram 1091 hoch zu Ross vom Norden her ein, um über einen möglichen Waffenstillstand mit den Ungläubigen zu verhandeln, die ebenfalls einen Gesandten an den Hof von Meknès schicken werden, wie er berichtet.
    Der Sultan lässt seine Richter und Gelehrten kommen, die über die Rechtmäßigkeit einer solchen Aktion urteilen sollen. Der Konflikt mit den Engländern ist kostspielig und kräftezehrend, besonders da das Land noch immer unter der Dürre leidet. Er möchte die Feinde aus Marokko vertreiben, doch der Krieg gegen sie ist inzwischen mehr als nur ein Ärgernis und die Aussicht auf eine Niederlage vollkommen inakzeptabel. Wenn sie mit Waffengewalt nicht zum Abziehen gezwungen werden können, gibt es vielleicht andere Wege, sie dazu zu überreden. Lässt sich eine Art von Waffenstillstand aushandeln, ohne gegen die Gesetze des Korans zu verstoßen? Die Atmosphäre ist angespannt. Viele der anwesenden Führer meinen, dass

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