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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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Freund.
    Während Momo seinen Mittagsschlaf hält, nehme ich mir die englische Koranfassung vor, die mir die Frau des Korsarenführers schenkte, um mich mit einer achtbaren Beschäftigung von meinem Schicksal abzulenken, als ich in diesem Land ankam. Das Unglück will es, dass ich ihn bei der Geschichte von Yusuf aufschlage, einem gut aussehenden Mann, der als Sklave an einen Beamten namens al-Aziz am ägyptischen Hof verkauft wird. Die Hausherrin ist so fasziniert von Yusufs Schönheit, dass sie sich in ihn verliebt und ihn unablässig bedrängt, sich zu ihr zu legen. Eines Tages wird sie so böse über seine ständige Zurückweisung, dass sie sieben Türen abschließt, um ihn am Gehen zu hindern, und ihn anfleht, zu ihr zu kommen. Beide laufen zur Tür, Yusuf erreicht sie zuerst, und dabei zerreißt sie von hinten sein Hemd. Plötzlich muss ich daran denken, wie ich Nus-Nus gesehen habe, als er sich im Lager in den Bergen abgerackert hat, mit bloßem Oberkörper, mit einem Schweißfilm auf der Haut …
    Konzentrier dich, Alys, ermahne ich mich streng. Doch der Text hilft mir nicht. »Und sicher begehrte sie ihn, auch er hätte sie begehrt, wenn er nicht ein deutliches Zeichen von seinem Herrn gesehen hätte. Ich suche Zuflucht bei Allah. Er ist mein Herr. Er hat meinen Aufenthalt ehrenvoll gemacht. Wahrlich, die Frevler können nicht Erfolg haben.«
    Ich denke noch über die unangenehmen Parallelen nach, mit denen mich diese Geschichte konfrontiert, als ein Schatten über mich fällt. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich die Ankunft des Besuchers nicht bemerkte. »Oh!«, rufe ich und werfe mich schnell zu Boden, denn es ist der Herrscher. Das Buch fällt von meinem Schoß; er bückt sich und hebt es auf. Durch das Haar, das mir ins Gesicht fällt, spähe ich nach oben und sehe, wie er mit unbewegtem Ausdruck den Text überfliegt und es dann umdreht, um den Umschlag zu betrachten. Am Ende befiehlt er mir aufzustehen und gibt es mir zurück. »Was ist das für ein Buch?«, fragt er ruhig.
    Und so erzähle ich ihm, dass es eine Ausgabe des Korans ist, der in meine Muttersprache übersetzt und in England gedruckt wurde. Zwar hätte ich mein Bestes getan, um die arabische Sprache zu lernen, fände es jedoch sehr schwer, die Schriftzeichen zu lesen. Die ganze Zeit sehe ich, wie sich sein Gesicht verfinstert, erst puterrot anläuft und dann erschreckend dunkel wird. Trotzdem plappere ich einfach weiter und erkläre ihm, dass in der Bibel dieselbe Geschichte erzählt wird, nur ist Yusuf dort Joseph und al-Aziz ist Potiphar …
    »Schweig, Weib!«, brüllt er mich plötzlich an, und ich frage mich, was ihn wohl so aufgebracht hat. War es mein Eingeständnis, dass ich Schwierigkeiten habe, Arabisch zu lernen, oder dass ich weiter an meiner Muttersprache festhalte, obwohl ich an seinem Hof lebe? Vielleicht gefällt ihm einfach nicht, dass eine Frau Bücher liest oder, so schießt es mir plötzlich durch den Kopf, vielleicht kann er ja selbst nicht lesen. Hat Nus-Nus nicht einmal gesagt …
    »Auf Englisch?«, wettert er. »Der heilige Koran auf Englisch ?« Er reißt ihn mir aus der Hand, wirft ihn zu Boden und trampelt darauf herum. Es schockiert mich sehr, denn Mohammedaner behandeln ihr heiliges Buch mit unendlichem Respekt und waschen sich sogar die Hände, bevor sie es berühren.
    »Es tut mir leid, es tut mir leid!«, rufe ich.
    Das Geschrei muss Momo geweckt haben, denn plötzlich steht er da und beobachtet voller Schrecken, wie sein Vater tobt und ich in Tränen aufgelöst bin. Und dann stürzt sich Momo tapfer – und töricht – auf seinen Vater und hämmert mit seinen kleinen Fäusten gegen dessen Beine. »Lass Mama in Ruhe!«
    Ismail sieht auf ihn hinab. Dann schleudert er fast beiläufig meinen Jungen beiseite, sodass der quer durch den Raum und gegen einen kleinen Tisch am anderen Ende des Salons fliegt. Zum Schluss hebt er das beleidigende Buch auf und geht ohne einen Blick zurück hinaus.
    Am gleichen Abend bringt man mir einen riesigen Korb, gefüllt mit Spielzeug und Schmuck, Kuchen und Süßigkeiten, ein Kätzchen mit einem silbernen Halsband und ein kleines Kostüm aus golddurchwirktem Stoff. Ganz oben liegt ein reich verzierter Koran. Auf Arabisch.

SIEBENUNDZWANZIG
    Erste Woche, zweiter Tag, Rabi’ al-awwal 1091 AH
    I ch komme von einer Erledigung für die Herrscherin zurück und stoße in einem menschenleeren Hof des Harems auf Zidan, der auf Momo sitzt und dessen Kopf ins Wasser des Brunnens

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