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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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Gesicht zu Brei geschlagen, aber natürlich tue ich es nicht. Ich löse meinen Blick von ihm, verbeuge mich tief vor dem Sultan und trete aus dem Vorraum in die spätnachmittägliche Sonne.
    Auf dem Weg zum Harem nagt nur eine Frage an mir: Wie hat es der Neffe eines hingerichteten Verräters geschafft, sich einen Weg zurück in die Gnade des Sultans zu erschleichen? Und warum ist er überhaupt hier, mein Feind? Ich kann nicht glauben, dass Rache nicht irgendwie in seiner Strategie mitschwingt, wie immer sie auch aussehen mag. Ich erinnere mich an das gefälschte Diwanbuch, und wie es korrigiert wurde, und balle verstohlen die Fäuste.
    Zumindest hilft all das, meine Gedanken von Zidanas Befehl abzulenken, dessen Grund ich nur allzu gut kenne. Und tatsächlich ist Zidan anwesend, als ich in ihr Gemach geführt werde. Mit roten Augen sitzt er auf dem Knie seiner Mutter. Wahrscheinlich war er an den Zwiebeln, denke ich: Nicht mal ein Bengel wie Zidan kann achtundzwanzig Stunden hintereinander heulen. Ich verneige mich und versuche, wie ein würdevoller Diener des Herrschers auszusehen.
    Doch Zidana will nichts davon wissen. Sie wird flankiert von zwei anderen Ehefrauen des Sultans, Umelez und Lalla Bilqis. Alle drei starren mich an wie die vorsitzenden Richter in einem Prozess, als hätte ich irgendein abscheuliches Verbrechen begangen, für das sie mich verurteilen werden. Dann aber springt die Herrscherin auf und zerstört jeglichen Schein von Förmlichkeit. Die Augen quellen hervor, und es regnet Speicheltröpfchen aus ihrem Mund, als sie mir eine winzige schwarze Figur vor die Nase hält und ruft: »Siehst du das? Siehst du das, Nus-Nus? Das ist dein Tod.«
    Es ist eine Fetischpuppe aus schwarzem Ton mit weißen Perlen als Augen und einem schwarzen Punkt in der Mitte, der Mund ist nur ein Loch und sieht aus, als stieße er einen stummen Schrei aus. Die Puppe trägt exakt dieselbe Kleidung wie ich. Es ist meine tägliche Uniform: weißes Baumwollgewand mit Goldbesatz an Ärmeln und Kragen, gelbe babouches , weißer Turban. Sogar das Fehlen des goldenen Armbands, das ich Mohammed erst vor ein paar Tagen geschenkt habe, wurde berücksichtigt.
    Ein reflexartiger Schauer durchfährt mich. Obwohl ich die zivilisierten Straßen und Paläste von Europa besucht, die Literatur vieler anderer Völker gelesen und meine Seele Allah geweiht habe, kann ich den alten Senufo-Glauben, den ich auf den Knien meines Großvaters lernte, nicht vergessen.
    Zidana hebt das Gewand der Puppe an. Im Schritt des schmalen Rumpfs zwischen den langen Beinen erkennt man ein kleines männliches Geschlecht, aber keine Hoden. Sie fährt mit einem hennagefärbten Fingernagel zärtlich den Bauch hinauf bis zum Brustbein. Dort verharrt die Fingerspitze und drückt dann eine kleine Tür in der Brust des Fetischs auf, hinter der sich …
    Mir kommt die Galle hoch. Was ich da sehe, ist einfach unvorstellbar. Im Innern des Fetischs schlägt ein winziges rotes Herz. Noch während ich es auf grauenhafte Weise fasziniert betrachte, pulsiert es rhythmisch und wird schneller, so wie mein eigener Puls sich beschleunigt.
    Zidana lässt die kleine Tür über diesem grausamen Anblick zuschnappen und lächelt mir zu. »Ich muss es nur herausreißen, und du bist auf der Stelle tot. Wag es nicht, je wieder meinen Sohn anzurühren.«
    Sie nimmt einen Kasten aus Sandelholz, öffnet den geschnitzten Deckel und legt mein Ebenbild hinein. Bevor sie ihn wieder schließen kann, fällt mein Blick eine Sekunde lang auf die anderen Figuren. Eine hat unmissverständlich goldenes Haar und ist aus hellem Ton, daneben ein kleiner Junge mit blauen Perlen als Augen …
    Ich versuche mir einzureden, dass das alles Unsinn ist, nur Zidanas Art, Leuten Angst einzujagen, eher Manipulation als Magie. Dass die Puppen keine Macht haben, außer Schrecken zu verbreiten, dass das Herz, das ich im Innern meiner Imitation gesehen habe, nur eine Illusion war. Doch eine Urangst hat mich gepackt und will nicht weggehen. Und auch meine verstörenden Träume lassen sich nicht abschütteln.
    Nicht nur um mich habe ich Angst, sondern auch um Alys und Momo. Es war schon immer ein schmaler Grat zwischen dem Sultan und seiner Hauptfrau, über den ich balanciert bin, aber ich hatte geglaubt, dass das Verhältnis zwischen Zidana und dem Weißen Schwan mittlerweile, wenn nicht auf einer Basis der Freundschaft, so doch auf gegenseitiger Toleranz geklärt wäre. Jetzt sehe ich, dass ich mich geirrt habe; Zidanas

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