Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
drückt. Momo strampelt wütend mit den Beinen, doch der neunjährige Zidan hält ihn mühelos im Zaum. Das kleine Scheusal ist dermaßen in seine mörderische Aufgabe versunken, dass es mich nicht kommen hört. Ich bin derart wütend, dass ich ihn am Schlafittchen packe und mit einer Hand hochhebe. Einen Moment lang jagt mir meine eigene Kraft Angst ein – wie leicht könnte ich ihn auf der Stelle umbringen, und wie gern würde ich das tun –, doch Zidan fürchtet sich noch viel mehr.
Momo klettert aus dem Brunnen und sitzt zitternd auf dem gekachelten Rand. Eine böse Prellung ziert seine Stirn, die meine Wut noch steigert.
Ich schüttele Zidan wie ein Löwe sein Junges. »Das erzähle ich deinem Vater«, verspreche ich ihm mit erhobener Stimme. »Und wenn du Mohammed je wieder anrührst, bringe ich dich eigenhändig um.« Dann stelle ihn wieder auf die Erde, doch er starrt mich bloß an. Seine Augen sind wie ausgefranste Löcher in dem Gesicht, nur Leere ist darin zu sehen. Dann gibt er plötzlich Fersengeld. Ich weiß genau, wohin er rennt: geradewegs zu seiner Mutter. Nun, damit werde ich mich später herumschlagen müssen, im Moment ist es mir egal. Ich lege Momo den Arm um die Schultern und untersuche die Stirn, die dunkel angelaufen ist.
»Tut es weh?«
Er schüttelt energisch den Kopf. Momo ist wirklich zäh für sein Alter. Man vergisst immer wieder, dass er erst drei ist. »Du darfst nicht allein hier herumstromern, hörst du? Die Welt ist gefährlich.«
Er nickt feierlich. »Es war bloß ein Spiel«, sagt er schließlich.
Was für ein tapferer Kerl! Er hat den Stolz seiner Mutter geerbt. Ich spüre, wie mir das Herz übergeht, als wäre er mein eigener Sohn. »Das war kein Spiel, Momo, und wir beide wissen es. Jetzt bringe ich dich zu deiner Mutter zurück, und da bleibst du.«
»Aber du wirst nichts sagen, nein?«
»Ich werde deiner Mutter nichts erzählen, weil sie sich sonst zu viele Sorgen machen würde.«
»Nein, ich meine, du sollst Dada nichts sagen.«
»Warum nicht?«
»Weil er mich für einen Schwächling halten würde.«
Eine ganze Weile starre ich ihn an. So viel Weisheit bei so einem kleinen Jungen ist erschreckend und verblüffend zugleich. »Ich kann nicht zulassen, dass Zidan ungestraft damit davonkommt.«
»Ich verspreche dir, dass ich besser aufpasse, wenn du es ihm nicht erzählst.«
»Und wenn ich es tue, dann passt du nicht auf?«
Er schiebt die Unterlippe vor. Seine Augen sprühen blaues Feuer.
Unsere Blicke halten einander stand, und ich denke, eines Tages wird er ein feiner Kerl werden, wenn er so lange überlebt. Am Ende gebe ich ihm mein Versprechen.
Am nächsten Tag bin ich mit dem Sultan in der Moschee und helfe ihm nach den asr -Gebeten in seine babouches , als ein Haremssklave sich vor uns niederwirft und die Stirn auf den Boden presst.
»Die Herrscherin verlangt nach Euch«, nuschelt er hastig.
Ismail packt den Jungen an der Schulter und zerrt ihn auf die Beine. »Was hast du da gesagt? Niemand verlangt nach mir!« Er starrt ihn wütend an, ein Furcht erregender Anblick.
Der Kleine bricht in Tränen aus, und von einem auf den anderen Augenblick wird Ismails Blick sanft. »Um Himmels willen, sei nicht so eine Heulsuse, Ali. Überbring deine Nachricht korrekt.«
Ali zögert, dann richtet er seinen Blick auf mich. »Die Herrscherin Zidana verlangt nach dir «, sagt er betont.
Jetzt hebt der Sultan die Braue. »Hat sie vergessen, dass du für mich arbeitest?« Die Frage ist rein rhetorisch gemeint.
Ich bleibe stumm.
»Nun, dann geh lieber hin und sieh, was sie will. Na, geh schon. Ich nehme Samir mit, um die Fortschritte der Bauarbeiten zu inspizieren.«
Samir?
Eine Gestalt löst sich aus den Schatten des Vorraums. Zu dem Gewand aus weißer Seide trägt er eine rote Strickmütze. Die Züge seines Gesichts sind scharf. Sein Bart ist so sorgfältig gestutzt, dass er aussieht, als wäre er mit einem feinen Pinsel gemalt. Er hat Tusche, Federn und ein Pergament dabei. Der Blick, den er mir zuwirft, ist von unverhohlenem Triumph erfüllt. Als ich ihn das letzte Mal sah, war er in Begleitung von drei anderen Schlägern, die es darauf abgesehen hatten, mich zu ermorden. Damals habe ich ihm den Arm ausgekugelt und ihn verjagt. Mit unvermuteter Grausamkeit hoffe ich, dass es ihm heute noch wehtut.
»Na, mach schon, Nus-Nus«, sagt er verächtlich. »Ich kümmere mich um Seine Majestät.«
Am liebsten hätte ich mich auf ihn gestürzt und ihm das grinsende
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