Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
sind gekämmt, das Zaumzeug wurde auf Hochglanz poliert. Allerdings hat niemand sie so prächtig aufgeputzt, wie der Sultan es bevorzugt. Im Übrigen ist er mittlerweile ohnehin verstimmt und bezeichnet sie sofort als »Schindmähren, die höchstens für die Abdeckerei taugen«.
Ich weiß nicht, ob der Grund für die veränderten Bedingungen, die er jetzt anbieten soll, die unpassenden Geschenke sind, auf alle Fälle behandelt Ismail den Gesandten inzwischen einigermaßen schroff. Sir James erhält die Wahl zwischen einem sechsmonatigen Frieden und einem zweijährigen Waffenstillstand. Die englischen Siedler dürfen Handel treiben, ihr Vieh weiden, sich Proviant beschaffen und Gestein abbauen; dafür verlangen die Marokkaner große Mengen an Tuch – unbefleckt –, Waffen, Schießpulver und Kanonen. Leslies beharrliche Forderung, der Sultan möge den Ungläubigen gestatten, die alten Festungen außerhalb der Stadt wieder aufzubauen, lehnt er kategorisch ab.
Sir James schüttelt den Kopf. Die Bedingungen sind unannehmbar, da sie die Engländer benachteiligen. Er erinnert den Sultan daran, dass Tanger nicht aufgrund kriegerischer Handlungen in den Besitz von England kam, sondern dass es zur Mitgift Königin Katharinas bei ihrer Hochzeit mit dem englischen König gehörte.
Dies erzürnt Ismail nur noch mehr. Die Portugiesen hätten ohnehin kein Recht auf das Land gehabt, erklärt er dem Gesandten. Es gehörte ihnen gar nicht, daher konnten sie es auch nicht zusammen mit ihrer zweitklassigen Prinzessin an einen verarmten König verschenken.
Sir James verzieht den Mund, lässt sich jedoch nicht ködern. Da sie beim Thema Tanger nicht weiterkommen, bringt er das Gespräch nun auf die vielen englischen Gefangenen, die sich in der Gewalt des Sultans befinden. Daraufhin lädt Ismail ihn ein, die Bauarbeiten zu besichtigen.
Samir und ich rennen mit dem Rest seiner riesigen Entourage hinterher und versuchen, Notizen zu machen, während er von einem Bauplatz zum anderen geht und seinem Gast die vielen ausländischen Arbeiter zeigt, offenbar ausschließlich Franzosen, Spanier, Italiener, Griechen oder Portugiesen. Nicht ein einziger Engländer ist darunter.
Der Gesandte glaubt ihm natürlich kein Wort und zeigt erst auf den einen, dann auf einen anderen. Man holt sie herbei und befiehlt ihnen, ihren Namen und ihr Land zu nennen. Einer nach dem anderen antwortet: Jean-Marie aus der Bretagne, Benoit aus Marseille, David aus Cádiz, Giovanni aus Neapel.
»Wo sind die Gefangenen, die man in Tanger verschleppt hat?«, fragt Sir James schließlich verärgert. »Mehr als zweihundert Angehörige der Garnison wurden gefangen genommen.«
Ismail hebt entschuldigend die Hände. »Viele sind gestorben, fürchte ich. An ihren Verwundungen auf dem Schlachtfeld oder aus Erschöpfung. Anscheinend sind die Engländer doch nicht so zäh, wie man es von einem solch kriegerischen Volk erwarten würde. Ich habe die Überlebenden, die ich entbehren konnte, als Geste meines guten Willens und meiner Gnade Eurem Boten übergeben.«
Sir James fährt mit charakteristischer Unverblümtheit fort: »Und mindestens fünfzehnhundert Männer wurden im Lauf der letzten Jahre von unseren Handelsflotten und anderen Schiffen entführt. Dutzende unserer Schiffe wurden gekapert, und ihre Mannschaften sind spurlos verschwunden.«
»Die Gewässer an Euren Küsten sind für ihre heftigen Stürme bekannt.« Der Sultan wirkt außerordentlich gleichgültig. Er ist ein guter Schauspieler. Ich weiß genau, wo sich die meisten englischen Gefangenen befinden: in einem fensterlosen Kerker unterhalb des Gesandtschaftssaals. Das ist Ismails Vorstellung von einem Witz. »Andere sind zum wahren Glauben übergetreten und führen jetzt ein Allah gefälliges Leben. Sie haben als freie Männer in meinem Reich gute mohammedanische Frauen geheiratet und ziehen brave mohammedanische Kinder auf.«
Einer dieser Abtrünnigen wird herbeigeschafft und gibt seinen ursprünglichen Namen mit William Harvey aus Hull an. Ich erkenne ihn trotz seiner marokkanischen Verkleidung als einen der Gefangenen wieder, die mir von der Palastmauer aus Beleidigungen entgegengeschleudert hatten. Es war an jenem schicksalhaften Tag, als Sidi Kabour von einem Mann mit roter Wollmütze getötet wurde, der jetzt nur einen Meter von mir entfernt steht. Harvey erzählt Sir James ohne jede Scham, dass er mit seinem Los zufrieden sei, aus freiem Willen zum mohammedanischen Glauben übergetreten sei, eine
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