Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
verschleppt, als sie von den Niederlanden nach England segelte, um sich dort mit einem englischen Gentleman zu verheiraten. Der Rat der Korsaren hat sie vor vier Jahren dem Sultan zum Geschenk gemacht, und seitdem ist sie hier. Sie hat keinen Versuch unternommen, sich freikaufen zu lassen. Sie sagt, ihre verwitwete Mutter sei alt und mittellos und ihren Verlobten habe sie nie gesehen.«
Ich riskiere einen Blick und merke, dass er mir aufmerksam lauscht. »Warum erzählst du mir das?«
»Ihr Leben ist in Gefahr. Könnt Ihr dabei behilflich sein, sie zu befreien?«
»Sie loskaufen, meinst du?«
»Ja.«
Er lacht. »Dein Sultan versucht, mir zweihundert Achterstücke für einen einfachen Sklaven abzuknöpfen. Was glaubst du, wie viel er für eine seiner Haremsfrauen verlangen würde?«
Ein Vermögen; das weiß ich wohl. Trotzdem bleibe ich beharrlich. »Es handelt sich um eine englische Dame. Ist es nicht eine Schande für Euer Land, sie hier zu wissen?«
Er verzieht den Mund. »Ist sie übergelaufen?«
Was für eine ungeschliffene Ausdrucksweise. »Nur äußerlich, Sir, im Herzen nicht. Hätte sie den mohammedanischen Glauben nicht angenommen, wäre sie schon tot.«
»Dann kann ich nichts für sie tun, ganz gleich, ob sie unter Druck gehandelt hat oder nicht.«
»Wenn Ihr der Dame nicht helft, Sir, werden sie und ihr kleiner Sohn vielleicht in einem Jahr nicht mehr am Leben sein.«
»Nun, das kann ich nicht ändern. Sie ist jetzt Muselmanin, genau wie ihr Balg. Darum müsst Ihr Euch selbst kümmern.«
»Das ist sehr unchristlich, Sir.«
Sein Blick durchbohrt mich. »Ich bin es nicht gewohnt, mir von einem kastrierten Neger Manieren beibringen zu lassen!«
Ich versuche, mir meinen Zorn nicht anmerken zu lassen. Stattdessen greife ich quer über den Tisch nach einer Schüssel mit einem besonderen Leckerbissen und biete sie ihm lächelnd an. »Verzeiht mir. Ich bin zu weit gegangen. Lasst es mich wiedergutmachen. Ich bin sicher, dass dies nach Eurem Geschmack ist – es gilt als große Delikatesse.«
Besänftigt spießt er ein Stück Fleisch mit der Gabel auf, schneidet es in der Mitte durch und schiebt es sich in den Mund. »Hm! Köstlich. Was ist es?«
»Schafshoden, in fünf Jahre altem Fett gebraten«, erkläre ich mit einiger Befriedigung und sehe, wie er erbleicht und sich die wulstigen Lippen abtupft. Als ben Hadou zurückkehrt, stehe ich auf und verabschiede mich.
Am nächsten Tag beginnen die Verhandlungen mit einem Eklat. Der Gesandte hat seinen Hut im Quartier vergessen und besitzt die Dreistigkeit, mit seiner Perücke zu erscheinen. Ismail äußert keinen direkten Kommentar zu dieser bewussten Unverschämtheit, erklärt allerdings gehässig, dass er keine Geschäfte mit einem Ungläubigen machen kann, der nicht einmal den Anstand besitzt, seine Stiefel auszuziehen, wenn er sich in zivilisierter Gesellschaft befindet.
Der Gesandte wendet ein, dass Engländer keine Geschäfte in Socken machen, doch Ismail bleibt hart. Und als der Mann die Stiefel auszieht, verstehen wir, warum er wünschte, sie anbehalten zu können. Sir James’ Socken sind in einem erbärmlichen Zustand und weisen an der Ferse ebenso wie an den Zehen große Löcher auf. Während der restlichen Verhandlungen macht ihm das sichtlich zu schaffen, und er versucht krampfhaft, seine Füße zu verstecken.
Es sieht ganz so aus, als wären weitere Diskussionen über die Zukunft von Tanger aussichtslos, denn Ismail ist in aufsässiger Stimmung.
Als Sir James einsieht, dass er dabei ist, jegliche Chance auf Frieden oder einen Waffenstillstand zu verspielen, stimmt er den Bedingungen zu, allerdings unter einer Voraussetzung. »In diesem Fall möchte ich Euch bitten, einen Gesandten mit mir nach England zu schicken, um König Karl und seine Berater zu treffen und die Angelegenheit weiter zu verhandeln.«
Nach einigem Hin und Her willigt Ismail ein. Ich bin verblüfft. Auch der Gesandte wirkt überrascht und wendet sich in dem offensichtlichen Glauben, einen Sieg errungen zu haben, erneut dem Thema der englischen Sklaven zu. Doch in der Frage des Rückkaufpreises bleibt Ismail unbeugsam. »Zweihundert Achterstücke pro Mann oder gar nichts.«
Sir James stößt einen tiefen Seufzer aus. »Und dann wäre da noch die Frage der englischen Frau in Eurem Harem.«
»Der englischen Frau?«, wiederholt Ismail, als hätte er nicht recht gehört.
»Eine gewisse Alys Swann, glaube ich.«
Ich sitze neben dem Sultan, um mitzuschreiben. Jetzt beuge
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