Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
Vom Netzwerk:
zulassen, hoch. »Momo?« Ängstlich hebe ich die Laterne.
    Einen Augenblick, der mir wie eine Ewigkeit erscheint, denke ich, dass er tot ist. Der Baldrian nach dem Stechapfel war tödlich, denn seine Augen starren mich aus seinem eingefallenen und dunklen Gesicht reglos an. Dann aber niest er heftig, und gelber Staub wirbelt auf.
    »Nus-Nus!« Er streckt die Arme nach mir aus.
    Ich beuge mich über den Rand der Truhe und hebe ihn vorsichtig aus seinem beengten, stinkenden Versteck. »Was bist du für ein tapferer kleiner Mann! Deine Mutter wäre so stolz auf dich, wenn sie dich jetzt sehen könnte!« Ich drücke ihn fest an mich, denn er ist alles, was ich noch von ihr habe, und er erwidert meine Umarmung, denn er hat auf dieser Welt nur noch mich.
    Erst dann fängt dieses unerschütterliche Kind an zu weinen. Ich spüre, wie der kleine Körper unter seinem Schluchzen erbebt, und auch mir schießen Tränen in die Augen. Was machen wir hier bloß? Doch jetzt ist es zu spät zum Umkehren. Wir können nur noch die Zähne zusammenbeißen und durchhalten.
    Schließlich setze ich ihn ab und verstaue alles wieder ordentlich in der Truhe. Als ich den Schlüssel im Schloss umdrehe, merke ich, dass es ein wenig klemmt, statt wie früher präzise zu schließen, und denke an Samir Rafiks verschlagenen Blick von vorhin. Wonach hat er gesucht? Was weiß er? Ich hatte geglaubt, unsere größte Herausforderung bestünde darin, den Jungen heil und gesund auf das Schiff zu bringen, nun muss ich erkennen, dass das bloß der Anfang einer langen Prüfung war.
    Als ich am nächsten Tag ben Hadou suche, finde ich ihn seekrank in seiner Kajüte. Normalerweise ist al-Attar ein Mann, der großen Wert auf seine äußere Erscheinung legt, aber heute fällt ihm das strähnige Haar, das sonst unter einem Turban verborgen ist, lose bis auf die Schultern, und seine Haut ist fahl und verschwitzt. Neben der Koje steht ein säuerlich riechender Eimer, das Essen auf dem kleinen Tisch ist nicht angerührt. Seine Augen blinzeln apathisch. »Geh fort, Nus-Nus, du siehst viel zu gesund aus.«
    »Verzeihung, Sidi.« Ich senke den Kopf und rühre mich nicht von der Stelle.
    »Was ist? Was willst du?«
    »Ich frage mich, warum Abdelaziz’ Neffe, Samir Rafik, und der Konvertit mit uns fahren?«
    Er runzelt die Stirn angesichts meiner vermessenen Frage. »Der Sultan hat sie beauftragt, ihm den Kopf eines Ungläubigen zu bringen, der den heiligen Koran in der englischen Sprache abgedruckt hat. Scheinbar scheut Rafik keine Mühen, die Gunst wiederzugewinnen, die sein Onkel verspielt hat. Und was Hamza angeht, der würde für eine Goldmünze alles tun. Ich habe Ismail gesagt, dass der Drucker höchstwahrscheinlich längst tot ist, da das Buch vor dreißig Jahren gedruckt wurde, doch er wollte nichts davon wissen, und der Halunke Rafik brennt darauf, dem Herrscher seine Loyalität zu beweisen, deshalb hat er sich um diese Möglichkeit beworben, dieser heimtückische Kastrat.« Er schaut mir in die Augen. »Tut mir leid, Nus-Nus, war nicht gegen dich gerichtet.«
    »Schon gut.«
    »Er ist weder dein Freund noch meiner, also lass ihn nicht aus den Augen.«
    Ich lache bitter, doch innerlich stöhne ich. Ich bin also selbst schuld, dass mein Feind mit an Bord ist und jede meiner Bewegungen misstrauisch beäugt. Hätte ich den Auftrag des Sultans bloß angenommen … »Vielleicht sollte ich ihn kurzerhand über Bord werfen, um zu sehen, wie gut er schwimmen kann.«
    Ben Hadou würgt, spuckt eine dünne Flüssigkeit in den Eimer und richtet sich wieder auf, während er sich den Mund abwischt. »Wenn es so einfach wäre, hätte ich es längst getan. Ismail hat ein schlechtes Gewissen wegen der harten Strafe, die er dem Großwesir auferlegte, und versucht es an dem Bürschchen wiedergutzumachen. Wenn ihm etwas geschähe, würde er uns zur Rechenschaft ziehen. Und wie die Dinge stehen, werde ich wohl oder übel dafür sorgen müssen, dass wir mit einem passenden Kopf zurückkehren. Der Sultan würde toben, wenn wir unverrichteter Dinge zurückkehren.«
    »Auch wenn der Drucker längst gestorben ist?«
    »Und wenn wir ihn aus der Hölle zerren müssen.« Er ringt sich ein mattes Lächeln ab. »Vielleicht können wir Ismail weismachen, wir hätten Rafiks Seele gegen die des Druckers eingetauscht.«
    Zum Glück ist ben Hadou nicht der Einzige aus der Gesandtschaft, der von der Seekrankheit außer Gefecht gesetzt wird. Nachdem ich ihn vier Tage lang nicht gesehen habe, frage

Weitere Kostenlose Bücher