Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Savanne wäre die Beziehung zwischen Vogel und Löwe die eines Jägers und seiner Beute, doch hier sind beide nur eine Fracht. Eine Ware, für die wir überhaupt nicht ausgerüstet sind.
»Wo sollen wir all die Tiere unterbringen?« Es klingt fast wie eine Klage.
»Ich bin sicher, dass ihr noch ein Plätzchen findet.« Ben Hadou ist mehr als zufrieden mit seinen Einkäufen. »So etwas hat der König von England noch nie gesehen«, tönt er bestens gelaunt, nachdem er die Geschenke der Gesandtschaft zu seiner Zufriedenheit bereichert hat.
Kaid Mohammed Sharif und ich sehen uns an, und unsere Blicke bedürfen keiner Worte, während ben Hadou in seine Kajüte geht, um sich dort einzurichten.
Mit dem aufgehenden Vollmond kommt auch die Flut. Als die Mannschaft den Anker lichtet und wir an der weißen Stadtmauer der Kasbah vorbei aufs wogende Meer hinaussegeln, stehe ich an Deck, beobachte, wie der helle Mond zwischen den Wolken hindurchbricht, um deren Ränder und die Wellen mit silbernem Glanz zu überziehen, und denke an Alys.
Bald sind wir auf dem offenen Meer. Ben Hadou und die übrigen Mitglieder der Gesandtschaft ziehen sich zum Schlafen zurück. Ich bleibe noch an Deck unter dem Vorwand, mir den Magen verdorben zu haben, und steige dann in den Laderaum hinunter, um Momo endlich aus seiner Gefangenschaft zu befreien. Ich will ihn in meiner Kajüte in den Offiziersunterkünften verstecken, die zwar so klein ist wie ein Schrank, aber ein Segen, den ich meiner unverhofften Beförderung zu verdanken habe. Unter der Koje habe ich etwas Platz geschaffen, wo sich ein kleiner Junge mit ein bisschen mehr Komfort als in der Truhe verstecken kann. Ich habe nicht nur Bettzeug hineingelegt, sondern auch ein paar Spielzeuge, um ihn abzulenken. Und natürlich wird Amadou da sein, um ihm Gesellschaft zu leisten, sein Schnattern wird alle Geräusche, die ein Kind machen könnte, übertönen, und obendrein liefert er mir den Vorwand, Essen in meine Kajüte zu bringen.
Unterwegs gratuliere ich mir zu meinem Geschick und meiner Voraussicht, bis ich im schmalen Niedergang über dem Orlopdeck gezwungen bin, zur Seite auszuweichen, um jemanden durchzulassen. Seine Augen funkeln im goldenen Kerzenlicht meiner Laterne, bevor er sie zusammenkneift. Für den Bruchteil einer Sekunde starren wir uns an, dann ist er verschwunden.
Alarmiert und verdutzt drehe ich mich nach ihm um. Was hat Rafik im Laderaum zu suchen? Von Momo kann er nichts wissen, also muss er herumspioniert oder nach Beute Ausschau gehalten haben.
Als ich mit beiden Händen und der Laterne zwischen den Zähnen die Leiter in den Bauch des Schiffes hinabsteige und daran denke, was ich dort unten vorfinden könnte, fängt mein Pulsschlag an zu rasen. Einer der Löwen, der sich vom Licht gestört fühlt, brüllt halbherzig auf und schlägt mit der Tatze durch die Gitter nach mir, als ich an seinem Käfig vorbeikomme. Ich bemerke, dass man ihm die Krallen geschnitten hat, und frage mich, wer wohl der arme Kerl war, der damit beauftragt wurde. Die Strauße sind im Kanonendeck untergebracht worden, dem einzigen Ort, an dem es genügend Platz für sie gibt, trotz der Proteste der Mannschaft, deren Hängematten sich in unmittelbarer Nähe befinden und die sich über den Lärm, den Gestank und die nach ihnen schnappenden Schnäbel beklagt.
Man hat beschlossen, dass ben Hadou die Landesflagge hissen soll, falls wir von Freibeutern angegriffen werden; sollte uns aber die englische Marine stoppen, wird sich Sir James Leslie ihrer annehmen. Auf diese Weise werden wir die Kanonen gar nicht brauchen.
Ich finde meine Reisetruhe und inspiziere das Schloss. Hat sich jemand daran zu schaffen gemacht? Auf dem Messing sind helle Kratzer zu erkennen, aber die könnten durch einen allzu groben Umgang beim Tragen verursacht worden sein. Im Innern sieht es so aus, als hätte jemand darin gewühlt, alles ist unordentlich. In meiner Panik ziehe ich krampfhaft einen Gewürzsack nach dem anderen heraus, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass es Geschenke für König Karl sind und sie kaputtgehen könnten. »Momo!« Mein aufgeregtes Flüstern hallt so laut wie ein Schrei durch den kleinen Raum.
Keine Antwort. Unten in der Truhe, über deren doppeltem Boden, ist einer der Gelbwurzsäcke gerissen. Überall ist gelbes Pulver verstreut. Ich wische es fluchend auf und kippe es wieder in den Sack zurück, dann klappe ich den doppelten Boden der Truhe so vorsichtig, wie es meine zitternden Hände
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