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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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»Und ich glaube, dass ich mein Glück in diesem Palast bereits ausgereizt habe.« Ich versuchte, ihn zu überreden, doch er schüttelte nur den Kopf, trat in den Gang hinaus und ließ mich in dem grausigen Laboratorium stehen, umgeben von Behältern mit allerlei Organen und Regalen mit abgezogenen Fellen und den ausgekochten Knochen unzähliger nicht mehr identifizierbarer Wesen.
    Auf dem langen Ritt nach Tanger denke ich an sie. Wie sie sich die Haare rauft und ihre Kleider zerreißt, sich wie eine Wahnsinnige aufführt, ohne zu wissen, ob ihr Theater am Ende nicht doch nur ein grausames Spiegelbild der Wahrheit sein wird.
    In der Gharb-Region werden wir von erwartungsvollen Banditen überfallen, die unsere Feuerkraft unterschätzt haben. Obwohl sie ihren verhängnisvollen Irrtum bald erkennen, gelingt es ihnen, sich mit vier Maultierkarren aus dem Staub zu machen, und als ich feststelle, dass darunter auch der ist, auf dem sich meine Truhe befindet, gebe ich meinem Pferd die Sporen und schreie wie der König der djenoun . Der arme Amadou, den ich mit auf die Reise genommen habe und dessen Leine um den Knauf meines Sattels gewickelt ist, macht seinem Unmut über den unerwarteten Tempowechsel mit lautem Kreischen Luft. Er starrt mich an, knirscht wütend mit den Zähnen und rollt die Augen. Als ich die Muskete hebe, um auf die Banditen zu zielen, und er mir in die Quere kommt, muss ich ihn zur Seite schubsen. Die Angst schärft den Geist und stählt meinen Arm. Ich schieße so gut wie noch nie zuvor. Einer fällt mit einer Kugel, die ihm den Hinterkopf durchbohrt, zu Boden. Ich sehe sein blutüberströmtes Gesicht, als er vor mir aus dem Sattel kippt. Einem anderen stoße ich meine Lanze in den Schenkel und spieße ihn mitsamt dem Sattel auf, während er vor Schmerzen schreit. Amadou erwidert sein unheimliches Geheul mit einem dämonischen Schnattern. Und als die Übrigen erkennen, dass ich nur die Speerspitze des königlichen Bataillons bin, treten sie eine wilde Flucht an und lassen die erbeuteten Karren zurück.
    Ben Hadou blickt sich stirnrunzelnd um. »Gute Arbeit, Nus-Nus. Was für ein Einsatz, nur um des Sultans Geschenke an den englischen König zu retten! Ich kann mich nicht erinnern, dich jemals so mutig gegen die Berber kämpfen gesehen zu haben.«
    Ich senke den Kopf und murmele etwas von meiner Pflicht, woraufhin er lacht.
    »Du bist den anderen ein Vorbild gewesen. Ich werde dich für die Dauer des Besuches zu meinem Stellvertreter ernennen, was dich aber keineswegs von deinen Pflichten als Sekretär entbindet. Bist du einverstanden?«
    Mir bleibt die Sprache weg, und ich nicke nur. Amadou hüpft auf dem Widerrist des Pferdes, als sei er der Held, und ben Hadou lacht. Er streckt die Hand aus und klopft mir auf die Schulter. »Du bist ein guter Mann, und ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann. Man hat mir bereits einen verdammten englischen Konvertiten aufgehalst, obwohl jeder weiß, dass er ein Querulant ist, und er ist nicht der einzige falsche Hund in dieser Gesandtschaft. Halte Augen und Ohren offen und berichte mir, wenn du irgendetwas Verdächtiges bemerkst. Und sollte dir jemand ein Angebot machen, lass es mich wissen, es soll dein Schaden nicht sein.«
    Al-Attar ist nicht besonders wohlgelitten, das weiß ich, daher überrascht mich all das nicht. Er legt ein derart herrisches Gebaren an den Tag, dass sich einem die Haare sträuben, hat wenig Geduld mit Dummköpfen und macht auch keinen Hehl daraus. Dazu kommen die Stammesfehden. Unter Marokkanern gibt es immer irgendwelche Stammesfehden. Ich werde seine Augen und Ohren sein, denn es ist immer besser, für ben Hadou als gegen ihn zu sein. Allerdings bin ich nicht so dumm, ihm mein Geheimnis zu verraten. Trotz all seiner Tricks ist er dem Sultan gegenüber absolut loyal, und auch wenn er sich als mein Freund ausgibt, würde er keinen Augenblick zögern, den kleinen Prinzen nach Meknès zurückzuschicken, samt einer Eskorte und meinem Kopf in einem Sack.
    In Tanger herrscht trügerische Waffenruhe, man erkennt es, sobald man die hohe, weiße Stadtmauer sieht, die löchrig von den Kanonenkugeln und schwarz von Feuer ist. Überall zeugen die Ruinen ehemaliger Festungen von dem jahrelangen Beschuss, unter dem die Stadt gelitten hat. Bauersfrauen wühlen in der verbrannten Erde nach etwas Essbarem, das sie ihrem Vieh zum Überwintern geben können. Als unsere bunte Karawane an ihnen vorbeizieht, richten sie sich auf und stimmen unter den

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