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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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Palastes endet. Ob jemand etwas beobachtet hat, das mich direkt belasten könnte? Sidi Kabour muss bessere Beziehungen gehabt haben, als mir klar war, wenn man seinen Mörder so eifrig verfolgt.
    Während ich am Abend meinen Aufgaben nachgehe, nagt die Angst an mir. Ich ertappe mich bei der Frage: »Ist es das letzte Mal, dass ich dem Sultan die babouches hinstelle? Oder ein so gutes Essen koste?«
    Der Wolf geht würdevoll in den Tod – angekündigt von langen Trompeten aus Fès und ganz in Weiß gekleideten Musikern. Er bäumt sich auf, er knurrt und faucht und entspricht ganz dem Bild der wilden Bestie, als die man ihn verkauft. Ismail erwürgt ihn nicht ganz so mühelos, wie ich angesichts seines Zustands an diesem Morgen gedacht hätte. Ein Anflug von Sorge durchfährt mich, als der Sultan ihm das letzte bisschen Leben ausquetscht und sein Körper erschlafft. Als Ismail die zeremonielle Klinge zückt, um ihm den Kopf abzuschlagen, muss ich den Blick abwenden.

FÜNF
    Erster Tag der Versammlung, Rabi’ al-awwal
    Massouda, schwarze Sudanesin, Tochter von Abida, Sklavin, die zuvor im Tafilalt gehalten wurde. Dreizehn Jahre alt. Jungfrau.
    E in Name, ein Datum, eine äußerst knappe Beschreibung: solche sterilen Worte auf einem Blatt beschreiben den Akt der Fortpflanzung. Das Diwanbuch wird mit strenger Sorgfalt geführt, um Geburt und Legitimität von Kindern des Sultans festzuhalten und einen Zeitplan zu dokumentieren, der Eifersüchteleien oder Dispute verhindern und alle Streitigkeiten beilegen soll. Ismail ist nur sechs Jahre älter als ich und erst seit fünf Jahren Sultan, und doch hat er mit seinen Frauen und Konkubinen bereits hunderte von Nachkommen gezeugt. Fast jede Nacht schläft der Sultan mit einer neuen Jungfrau, hat aber auch einige Lieblingsfrauen, die er von Zeit zu Zeit kommen lässt. Anders als König Schariyar aus Tausendundeiner Nacht lässt er seine Eroberungen nicht am nächsten Morgen hinrichten, um sich ihrer Treue zu versichern. Für Seitensprünge gibt es in diesem Palast nicht viele Gelegenheiten – der Harem wird von Eunuchen streng bewacht.
    Die Kontrolle über den Harem und auch über den Sultan ruht in Zidanas Hand. Fast jeden Abend nach dem fünften Gebet, wenn Ismail gegessen und gebadet hat, arrangiert sie eine Versammlung, bei der eine Auswahl an infrage kommenden Kandidatinnen in den Gärten lustwandelt, musiziert, unter den Orangenbäumen oder in seinen Privatgemächern singt oder sich auch einfach nur möglichst verführerisch auf Diwanen räkelt. Für solche Gelegenheiten lässt sich Zidana von denen, die sich einen Vorteil erhoffen, gut bezahlen: Um Ismails Urteil zu beeinflussen und ihn von ihrer Rivalin Fatima abzulenken, führt sie ihm ein bestimmtes Mädchen zu und preist seine Tugenden oder weist auf besonders zarte Fußgelenke oder fein mit Henna geschmückte Hände hin. Gelegentlich entblößt sie sogar eine Brust, um ihm Form und Fülle zu zeigen. Der Sultan, sonst eigensinnig wie ein störrischer Esel, lässt sich im Schlafzimmer erstaunlich gern von seiner Hauptfrau beraten.
    Man könnte meinen, dass eine unberechenbare Alchemie das Entstehen von Verlangen steuert, doch entweder kennt sie ihn zu gut oder er ist unkritisch. Mit Sicherheit hat er einen gewaltigen Appetit. Selbst die potentesten Männer wären nach einigen Wochen solch grenzenloser Verausgabung erschöpft, nicht jedoch Ismail. Das ist ein weiterer Grund dafür, warum er so verehrt wird: Die Frauen himmeln ihn geradezu an. Sie schleichen sich von hinten an, um den Saum seines Gewands zu berühren, weil es angeblich Glück bringt. Wenn er sie berührt, waschen sie sich tagelang nicht die Hände oder die Wange. In kleinen Phiolen oder Amuletten bewahren sie Talismane auf, die sie bei ihren Begegnungen mit ihm erhaschen konnten – ein Kopf- oder Barthaar, sein Sperma, das auf ihren Schenkeln getrocknet ist oder das sie die ganze Nacht im Mund behalten haben. Deren baraka , die geheimnisvolle Kraft des Segens und des Glücks, die der Sultan ausstrahlt, sollen sie vor Krankheit und dem bösen Blick bewahren. Diejenigen, die er in sein Bett eingeladen hat, werden am nächsten Morgen in einer Prozession durch den Harem getragen. Das größte baraka überhaupt ist, ein Kind von ihm zur Welt zu bringen, obwohl er nach anfänglicher Begeisterung – die mit Kanonenschüssen und einer öffentlichen Bekanntmachung gefeiert wird, bei einem Jungen mit Trompetenfanfaren, bei einem Mädchen mit einem Feuerwerk

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